Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
schwer, sich darüber klar zu werden, was man will, wenn ständig alle an einem herumzerren.“
„Was ist er für ein Typ, dein Freund?“
„Er ist … schwer zu beschreiben. Ein reiches, unglückliches Kind. Er muss immer mit dem Kopf gegen die Wand, damit er glauben kann, dass sie wirklich da ist.“
„Vielleicht ist es ja auch anders herum.“ Paddy stößt Rauch durch die Zähne. „Vielleicht muss er mit dem Kopf gegen die Wand, damit er weiß, dass er selber noch da ist.“
„Das ist doch Unsinn.“
„Nur auf den ersten Blick.“
Daniel zieht die Schultern hoch und seufzt in die kühle Nachtluft.
„Ich werde nicht mit ihm fertig“, gibt er zu. „Er ist einfach … eine Nummer zu kompliziert für mich. Er ist Künstler. Musiker. Zu seinem Leben gibt es einen ganzen Soundtrack, ist das zu glauben? Ich glaube, ich bin viel zu normal für ihn. Und dann die Sache mit Jo. Das macht mich fertig.“
„Wie heißt er denn, dein Freund?“
„Mick.“
„Mick, wie Jagger?“
„Genau. Eigentlich Mihály, weil er aus Ungarn stammt. Aber er sieht auch ein bisschen aus wie Mick Jagger.“
„Wow. Ein Junge, dem man zu Füßen liegen kann.“
„Ich würde lieber nicht. Ich würde ihm lieber in die Augen sehen.“
Paddy nickt und betrachtet die Glut vorne an seiner Zigarette.
Sie schweigen. Daniel vergräbt die Hände in den Hosentaschen. Die Luft, gerade noch angenehm frisch, dringt ihm langsam unters T-Shirt und zieht lange, kühle Fäden auf seinem Rücken.
Daniel tritt von einem Fuß auf den anderen und lässt den Blick über die Menschentraube vor dem Eingang wandern. Immer noch niemand mit Federboa oder abgespreiztem Finger.
Als das Schweigen ihm langsam unangenehm wird, zeigt er auf das Motorrad, das immer noch ungünstig im Weg steht. Allerdings scheint niemand sich daran zu stören.
„Ist das deines?“
„Ja.“ Paddys Gesicht strahlt auf. „Meine Lady. Eine Yamaha SR 500. Jahrgang 1982. Ein Klassiker! Und läuft wie am ersten Tag ihrer Zulassung.“
„Schön“, sagt Daniel, der Motorräder höchstens an der Farbe unterscheiden kann.
„Nicht wahr“, bestätigt Paddy glücklich. „Eigentlich wollte ich ja wieder eine britische Maschine, eine Norton, so wie früher, aber dann stand sie in dieser Garage und es war Liebe auf den ersten Blick.“ Er zwinkert Daniel zu. „Meine erste Japanerin, nach so vielen Jahren. Wer hätte das gedacht.“
Daniel nickt, weil er nicht weiß, was er sagen soll.
„Ich nehm dich ein Stück mit“, bietet Paddy an. „Ich fahre dich zu deinem Musiker, wenn du willst.“
„Aber ich bin noch nie Motorrad gefahren“, sagt Daniel erschreckt.
„Und? Motorradfahren ist wie die Liebe. Man muss es nicht lernen. Man macht es einfach.“
„Ich überleg’s mir.“
„Wovor hast du Angst?“
„Ich hab gar keine Angst. Ich bin nur nicht der Ansicht, dass man alles ausprobieren muss.“
„Schisser“, sagt Paddy und grinst.
„Und aus dem Alter bin ich raus, in dem ich mich mit Beleidigungen zu irgendwelchen Mutproben zwingen lasse!“
„Ist ja gut. War nicht so gemeint.“
Paddy sieht Daniel an. Seine Augen sind eigentümlich hell im Licht der Straßenlaternen. Das Grinsen versickert langsam in seinen Mundwinkeln.
„Du bist hier falsch“, sagt er. „Du solltest bei deinem Musiker sein und ihm jeden Gedanken an einen anderen austreiben. Du solltest für niemanden die Nummer zwei sein.“
„Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich meine ... nicht jeder ist für die erste Geige geboren.“
„Und es gibt viel zu viele, die sich von selbst in die zweite Reihe stellen, weil sie es vorne im Scheinwerfer nicht aushalten.“
„Aber was, wenn ich gar nicht das habe, was er braucht? Er hat seine Musik, er ist reich, cool und ich – ich bin total unmusikalisch, nicht reich und – nicht ganz so cool und – was, wenn er sich mit mir langweilt?“
„Hattest du denn bisher den Eindruck, dass er sich mit dir langweilt?“
„Na ja. Hm. Eigentlich ... nicht.“
„Siehst du. Vielleicht weiß er selbst gar nicht, was er braucht. Vielleicht rennt er einem Phantom hinterher und übersieht, dass die beste Sache seines Lebens direkt vor seiner Nase stattfindet. Vielleicht sollte man ihn nehmen und schütteln und ihn mit dem Gesicht voraus darauf stoßen, welches die Leute sind, die ihm echte Gefühle entgegen bringen. Und ihm einschärfen, dass man so etwas nicht einfach wegschmeißt.“
Daniel betrachtet den anderen, der auf seine Stiefelspitzen schaut
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