Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
pennen?“
Mick ist klatschnass. Der Regen hat ihm die Locken in die Stirn gewaschen. Seine Augen sind kleine, dunkle Abgründe. Er sitzt ohne Schirm oder Jacke auf der Lehne der wackeligen Parkbank, drüben am Spielplatz. Beinahe hätte Daniel ihn übersehen, als er mit dem Fahrrad und tropfender Kapuze zu den Fahrradständern einschwenken will. Aber dann hat die schmale, reglose Figur zwischen den Büschen so viel Vertrautes, dass Daniels Alarm anspringt, obwohl seine Augen gar nicht richtig hingesehen haben.
„Was ist passiert?“
Mick zieht die Schultern hoch und rutscht von der Lehne.
„Nichts. Was soll passiert sein?“
„Na ja … es muss doch einen Grund geben, warum du hier im Regen sitzt? Du kannst doch einfach in den Laden kommen, wenn du Sehnsucht hast.“
Es klingt leichthin. Eine reife Leistung, wenn man bedenkt, dass Daniel drei Tage lang nichts von Mick gehört hat, kein Anruf, keine SMS, in der Schule war er auch nicht und am Handy nur der Anrufbeantworter.
Immerhin, morgen ist Bandprobe und Daniel hat schon fast damit gerechnet, dass Mick pünktlich zu diesem Termin wieder auftaucht.
Fragen beantworten will Mick trotzdem nicht.
„Kann ich nicht mal bei dir vorbeischauen und ein paar Nächte bei dir pennen, ohne gleich mit Fragen gelöchert zu werden?“
„Ist gut“, sagt Daniel. „Komm erst mal mit rauf.“
Mick klaubt sein Fahrrad aus dem nassen Gras und schultert seinen Rucksack. Gemeinsam gehen sie hinüber zu den Fahrradständern und schließen ihre Fahrräder ab. Micks Rucksack ist prall gefüllt und scheint schwer zu sein. Daniel fragt sich, wie lange „ein paar Nächte“ sein können.
Sie gehen ins Haus und steigen in den Lift. Das Neonlicht flimmert und lässt Mick blass und krank aussehen. Daniel sieht, wie er die Zähne aufeinanderbeißt, aber sein Kinn zittert trotzdem. Daniel streckt die Hand aus. Micks Haut unter seinen Fingern ist eiskalt. Der Sommer macht Pause.
Mick lässt sich bereitwillig in eine Umarmung ziehen und steht reglos, dicht an Daniel gedrängt, bis der Lift im neunten Stock rumpelnd seine Türen öffnet.
Daniel sperrt die Wohnungstür auf und schiebt Mick ins Innere. Es riecht nach Essen und in der Küche dudelt das Radio.
„Daniel?“
„Ja. Hi.“
Daniels Mutter gibt der Küchentür von innen einen Schubs und steckt den Kopf durch den Spalt.
„Ich koche etwas. Hast du Hunger? Oh. Du hast jemanden mitgebracht?“
„Ähm. Ja. Das … das ist Mick.“
Daniel bemüht sich, möglichst lässig zu klingen und versaut es völlig. Er fummelt am Reißverschluss seiner Regenjacke.
„Hallo“, sagt seine Mutter freundlich, trocknet sich die Hand an einem Küchentuch und streckt sie Mick dann entgegen. „Ich bin Rita.“
„Hi“, sagt Mick heiser und ergreift die dargebotene Hand.
„Du liebe Zeit, du bist ja ganz nass. Und durchgefroren. Was ist denn passiert?“
„Fahrradpanne“, improvisiert Daniel. „Kette gerissen oder so ähnlich.“
„Genau“, sagt Mick. „Und der Regen wird immer schlimmer. Schon ein richtiger Sturm. Kann ich ein bisschen bleiben?“
„Aber natürlich“, sagt Daniels Mutter. „Ich schiebe noch eine Pizza in den Ofen, wenn das Essen nicht reicht.“
„Cool.“
Für einen Augenblick hat Daniel den Eindruck, Mick wäre den Tränen nah.
Das ist natürlich Quatsch. Mick schält sich aus seiner nassen Jacke und lässt sich von Daniels Mutter das Küchentuch geben, mit dem er sich den Regen vom Gesicht wischt.
„Du solltest heiß duschen“, schlägt Rita vor. „Oder ein Bad nehmen, wenn dir das lieber ist. Damit dir warm wird. Daniel kann dir was von seinen Sachen zum Umziehen raussuchen. Möchtest du heißen Kakao?“
Das ist seine Mutter, denkt Daniel, die einem hereingeschneiten Beinahe-Achtzehnjährigen heißen Kakao anbietet, einem Freizeitrocker, der sie um einen Kopf überragt und der auf Partys Bier trinkt und kifft. Sie würde wahrscheinlich auch einem Alligator ein warmes Plätzchen in der Badewanne anbieten.
„Mann, Rita, das ist echt nett von dir.“
Und das ist Mick, der ein beinahe kindliches Leuchten in sein Gesicht zaubern kann, dorthin, wo gerade noch düsterer Weltuntergang war, der mit einem Augenaufschlag die Herzen seiner Mitmenschen erobert und dann, wenn er sie hat, nichts mit ihnen anzufangen weiß.
„Beweg dich“, sagt sie zu ihm. „Man sollte meinen, es wäre November, bei dem Wetter.“
Daniel rettet sich in sein Zimmer und lässt sich Zeit mit dem Aussuchen der
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