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Flieh, so schnell es geht!

Flieh, so schnell es geht!

Titel: Flieh, so schnell es geht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bowler
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wenn ich mir nicht die Augen verderben will. Aber so eine Brille kann praktisch sein. Die Jungen haben jede Menge Ersatzbrillen in der Schreibtischschublade.
    Keine Ahnung warum. Offenbar legen sie die alten Brillen in die Schublade, wenn sie wieder mal zum Optiker gehen und eine neue bekommen. Siehst du, in dieser Schublade sind drei Brillen und in der anderen zwei.
    Ich probiere alle auf.
    Die hier ist gut. Ich sehe ein bisschen verschwommen damit, aber wenn ich sie nach unten schiebe und über den Rand schiele, geht es. Ich nehme sie und stecke sie in die Jackentasche neben das Messer.
    Scheiße!
    Mich überläuft es eiskalt, Bigeyes. Ich stehe wie zu Eis erstarrt. Und warum?
    Ich erinnere mich nicht mehr, wie es dort hineingekommen ist.
    Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich es aus der Tasche meiner alten Hose genommen und hier hineingesteckt habe. Klingt bescheuert, ich weiß. Dass ich mir deswegen Sorgen mache. Man macht Sachen, ohne sich dessen bewusst zu sein. So was kommt vor.
    Nichts von Bedeutung.
    Nur fühlt es sich doch so an, ich weiß nicht warum.
    Ich ziehe das Messer hervor, wiege es in der Hand, schaue es an. Ich lasse es nicht aufschnappen. Ich halte es nur und schaue es an. Plötzlich möchte ich das Fenster aufreißen und das verdammte Ding in den Garten schmeißen, so weit weg wie möglich.
    Aber es wäre doch nicht weit genug. Warum? Weil ich es immer wieder finde, egal wie weit ich es werfe.
    Ich drücke das Messer, lege es in die Tasche zurück. Und plötzlich bin ich froh, dass ich es nicht weggeworfen habe. Schließlich kann ich noch einmal Gebrauch davon machen. Wenn ich meine Gedanken halbwegs wieder beisammen habe, mache ich, was ich vergangene Nacht hätte tun sollen.
    Ich knöpfe mir Paddy vor.
    Das muss ich. Weil es richtig ist, nicht nur wegen Becky, sondern meinetwegen. Ich muss es mir beweisen. Ich darf nächstes Mal nicht schwach werden. Wenn ich den Mumm dazu finde.
    Den Mumm.
    Kurzes Wort für eine große Sache. Ähnlich wie Schiss. Auch so ein kurzes Wort für eine große Sache. Und weißt du was, Bigeyes? Ich denke nach.
    Ich denke darüber nach, ob ich tun soll, was ich immer schon mal probieren wollte, wenn ich in diesem Haus bin, vor allem wenn ich Schiss hab. Dummerweise brauche ich auch dazu Mumm.
    Einmal am Schlafzimmer der Eltern, vor der offenen Tür, vor dem Sensor vorbeigehen, das reizt mich wirklich.
    Ja, ich weiß, das ist eine dämliche Idee. Riskant, geradezu blödsinnig riskant. Ich hab doch schon alles, weswegen ich hierhergekommen bin. Eigentlich ist es Zeit, wieder abzuhauen, statt herumzukälbern.
    Aber schon gehe ich den Flur entlang, es ist stärker als ich, Bigeyes. Ich gehe am Zimmer des Ältesten vorbei, an den nächsten zwei Zimmern, am Bad, und da ist die offene Tür zum Schlafzimmer der Eltern und da, am Ende des Flurs …
    Das Arbeitszimmer.
    Auch da steht die Tür offen. Ich kann von hier aus hineinschauen. Ich sehe die Bücher in den Regalen. Sie sehen aus wie Juwelen. Ich habe nicht alle gelesen, aber in jedes hineingeschaut. Ich kenne sie auf meine Weise, wie ich alle Bücher in allen meinen Hütten kenne.
    Auf meine Weise.
    Ein Schatz zieht mich an, Bigeyes, er glänzt und funkelt. Ich sehe Sherlock Holmes und David Copperfield und Jane Eyre und dieses Buch über die Anden mit dem Foto eines Kondors, und das Tao-te-king und Das Tagebuch des Samuel Pepys und Schwalben und Amazonen .
    Schwalben und Amazonen .
    Ich mag dieses Buch. Ein echter Schmöker. Ich sehe den Einband, den Titel oben auf dem Buchrücken, das Bild darunter, den Namen des Verfassers in Großbuchstaben: Arthur Ransome.
    Der Mann muss einiges auf dem Kasten gehabt haben. Sein Buch ist so toll, ich brauche nur den Einband zu sehen und schon bin ich auf dem See mit John, Susan und Nancy und all den anderen Figuren. Aber das genügt mir nicht, ich will nicht bloß den Einband sehen.
    Ich will es lesen, ich muss es lesen.
    Eigentlich hasse ich Wasser. Es macht mir Angst, weil es groß und immer in Bewegung ist und weil ich es nicht beherrschen kann. Ich will nicht mal schwimmen lernen. Am liebsten bleibe ich weg davon. Aber sobald ich Schwalben und Amazonen lese, habe ich das Gefühl, selbst zu segeln und zu schwimmen, und alles ist wunderbar.
    Ich will jetzt gleich lesen und alles vergessen, was passiert ist. Ich möchte in die Geschichte eintauchen, segeln und schwimmen und keine

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