Flieh, so schnell es geht!
gezielter Wurf und er ist am Boden.
Weià er überhaupt, in welcher Gefahr er sich befindet?
Offenbar nicht, sonst käme er nicht so herangeschlendert. Ich drücke das Heft des Messers, prüfe die Klinge, schwinge meinen Arm nach hinten. Er bleibt plötzlich stehen. Jetzt ist er nur noch wenige Schritte entfernt. Wenn er sich jetzt rührt, ist er ein toter Mann. Und das weià er.
Ich rede ihn an.
»Wo ist Paddy, Dicker?«
Ich erwarte keine Antwort. Aber er erwidert in seiner schweren, grunzenden Stimme: »Der hilft der Polizei bei den Ermittlungen.«
Mein Gott, Bigeyes. Sie haben ihn also geschnappt. Das hätte ich nie gedacht. Wenigstens hat mein Anruf bei der Polizei also etwas genützt. Trotzdem würde ich ihn mir immer noch gern vorknöpfen. Der Dicke schnauft.
»Wird dir auch nicht mehr viel helfen.«
Da hat er recht. Von beiden Seiten kommen jetzt weitere Männer. Sie umstellen mich und schauen auf mich herab. Ich halte immer noch das Messer in der Hand.
»Na los, Kleiner«, sagt Lenny. »Schmeià dein Messer.«
Ich würde ja gern, Bigeyes, wahnsinnig gern. Aber ich bringâs nicht. Ich blute und ich flenne. Ich flenne wegen Jaz, wegen mir, wegen allem, was niemals in Erfüllung gehen wird.
Nun treten sie an mich heran, das sehe ich noch durch den blutigen Schleier. Ich kriege nicht mehr mit, was passiert. Sie nehmen mir das Messer aus der Hand, sie durchsuchen meine Taschen, nehmen mir das Geld ab, lachen und scherzen.
Dann der Hieb. Mein Kopf will schier zerbersten, mir wird schwarz vor Augen. Während ich schon halb bewusstlos bin, spüre ich noch, wie Lenny sich zu mir beugt. Plötzlich ein Knall â ein trockenes, metallisches Geräusch.
Aber ich denke ja gar nicht mehr, Bigeyes. Nein, alles geht durcheinander, alles dreht sich. Noch ein Knall. Und diesmal erkenne ich das Geräusch. Ein Schuss.
Hat man auf mich geschossen? Ich weià es nicht, Bigeyes. Ich kapiere nichts mehr, ich spüre meinen Körper nicht mehr. Ich wabere durch einen dunklen Raum. Ich weià nicht, wer ich bin, wo ich bin, was ich bin. Von fern höre ich eine Stimme.
»Blade«, sagt die Stimme.
Ich erkenne sie sofort.
Mary.
»Aber du bist doch tot«, murmele ich. »Du bist im Bungalow erschossen worden. Und du kennst auch gar nicht meinen Namen. Den hab ich dir nie genannt.«
Sie antwortet nicht. Aber ich sehe ihr Gesicht in der Dunkelheit. Es scheint so, als ob sie mit mir an diesem dunklen Ort schweben würde. Noch mehr Gesichter tauchen auf. Auch sie schweben um mich. Gesichter aus der Vergangenheit, Gesichter, die ich nicht sehen will.
Feinde.
Und ich schaue wieder Mary an und frage mich.
»Gehörst du auch zu meinen Feinden?«
Wieder antwortet sie nicht. Die Gesichter schweben weiter um mich, dann verlöschen sie eines nach dem anderen. Und mit einem Mal verstehe ich, Bigeyes. Die Gesichter kommen aus der Vergangenheit, aber sie sind nicht die Vergangenheit.
Sie sind die Zukunft.
Genau. Wenn ich das hier überstehe, dann kommen sie wieder.
Nur jetzt vergehen sie so wie ich, werden zu nichts. Und weiÃt du was, Bigeyes? Vielleicht ist das so am besten.
Wenn ich nämlich nichts mehr bin, dann können sie mir auch nie mehr wehtun.
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