Flieh solange du kannst
dass du ständig mit der schlimmsten Möglichkeit konfrontiert wirst.”
Er hielt inne, weil er befürchtete, sie könne gegen seinen sarkastischen Unterton protestieren, sich vielleicht sogar mit ihm streiten, um ihm endlich ein Argument zu liefern, warum er sie überhaupt nicht leiden konnte. Es gefiel Preston gar nicht, dass er sich mittlerweile so viele Sorgen um Emma und ihren Sohn machte. Er konnte sich wirklich nicht leisten, sich zu sehr in ihr Schicksal verstricken zu lassen. Wer weiß, was noch alles auf ihn zukam und wo er in ein paar Monaten stehen würde.
Aber Emma wollte nicht streiten. Als sie etwas entgegnete, klang es eher traurig und resigniert. “Du hast recht. Es ist nicht in Ordnung, dass ich dich in all das hineingezogen habe. Manuel könnte dir gefährlich werden. Und ich würde es nicht ertragen, wenn …” Sie warf ihm einen ängstlichen Blick zu und schaute dann aus dem Fenster.
Was würde sie nicht ertragen? Ein Teil von ihm hätte gern gehört, wie sie diesen Satz beendet hätte. Der andere Teil wollte lieber nichts davon wissen. Er wollte sich nicht auf seinem eingeschlagenen Weg beirren lassen, aber Emma und Max hatten ihn bereits mehr aus der Bahn geworfen, als ihm lieb war.
“Wir sollten uns trennen”, stieß Emma plötzlich entschieden hervor. “Am besten bringst du uns zu einem Gebrauchtwagenhändler. Ich nehme mir dann einen eigenen Wagen, und wir fahren allein weiter.”
Preston bezweifelte sehr, dass sie für ihre Ohrringe ein besonders gutes Modell bekäme. Wahrscheinlich gelangte sie viel schneller ans Ziel, wenn sie mit dem bezahlte, was sie ihm bei ihrer Begegnung im Schwimmbad angeboten hatte. Aber natürlich widerstrebte ihm der Gedanke, sie könne dieses Angebot einem anderen machen.
“Preston?”, fragte sie nach, als er keine Anstalten machte anzuhalten. “Hast du gehört, was ich gesagt habe?”
“Ja, aber das geht nicht.”
Sie schaute ihn eine Weile prüfend an. “Warum nicht?”
Was sollte er dazu sagen? Natürlich sollte er sie möglichst schnell loswerden, das sagte ihm sein Verstand. Aber seine Gefühle sagten ihm, dass das unmöglich war. Nach allem, was er bereits für sie getan hatte, konnte er sie jetzt nicht einfach stehen lassen. Er wollte sie in Sicherheit wissen, sie und Max. Vielleicht hing es ja auch damit zusammen, dass er bei seinem eigenen Sohn so schrecklich versagt hatte. Immerhin hatte er diesmal einen klaren Feind vor sich. Mit Manuel verband ihn nichts. Da bestand keine Gefahr, aus alter Freundschaft einen Fehler zu begehen. Wenn er Vincent damals nur nicht vertraut hätte …
Aber dann wäre es wahrscheinlich einem anderen Kind passiert. Vincent war einfach zu ehrgeizig, er ging zu große Risiken ein, um nachher als Held dazustehen. Das zeigte auch der Vorfall in Iowa, von dem Gordon ihm erzählt hatte. Es war doch ganz klar: Vincent musste gestoppt werden.
“Bekomme ich bitte mal eine Antwort?”, sagte Emma.
“Ich habe versprochen, euch nach Iowa zu bringen, und das werde ich auch tun.”
Endlich kam ein Schild in Sicht, das ihnen den Weg zur Autobahn wies. Preston setzte den Blinker und bog nach rechts ab. Dann gab er ihr den Zettel zurück. “Weiß Manuel, dass du diese Liste hast?”
Sie lehnte sich zurück, schien sich absichtlich klein zu machen und antwortete nicht.
“Emma?”
Sie seufzte tief. “Jetzt weiß er es jedenfalls.”
“Wie meinst du das?”
“Ich hab ihn von einer Telefonzelle aus angerufen und es ihm erzählt.”
“Deshalb seid ihr heute Morgen aus dem Zimmer verschwunden.”
Sie nickte.
“Aber damit hast du mitten ins Wespennest gestochen.”
“Ich musste es doch tun. Es ist das einzige Druckmittel, das ich habe.”
“Wozu?”
“Um Juanita zu helfen. Ich habe ihm gedroht, dass ich den Zettel der Polizei übergebe, wenn sie morgen nicht wieder bei ihrer Familie ist.”
Also lief Emma nicht nur vor ihrem Ex-Freund davon, sondern hatte auch etwas gegen ihn in der Hand, das ihn ruinieren konnte, und sie hatte ihm damit sogar schon gedroht.
Na großartig
. “Und? Wie hat er darauf reagiert?”
Auch Emma vergewisserte sich, dass Max noch immer damit beschäftigt war, aus dem Fenster zu sehen und vor sich hin zu fantasieren, bevor sie leise antwortete: “Willst du das wirklich wissen?”
“Sonst hätte ich ja nicht gefragt.”
“Er sagte, wenn er mich findet, wird er mir das Herz mit bloßen Händen ausreißen.”
Preston umklammerte das Lenkrad und spürte eine unbändige Wut
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