Flieh solange du kannst
die Hand von Max, als er an ihr vorbeitauchte. Hastig fasste sie danach und zog den Jungen an die Oberfläche.
“He, warum lässt du mich nicht weitertauchen? Ich wollte auf die andere Seite tauchen, so wie Daddy das immer macht.”
“Wir gehen jetzt zurück in unser Motel”, sagte sie.
“Aber ich will nicht! Wir sind doch gerade erst gekommen!”
“Es ist schon spät und wir müssen schlafen.”
“Wirklich? Jetzt schon?”
“Wir müssen morgen früh aufstehen.” Sie hatte keine Ahnung, wie der morgige Tag aussehen würde. Aber sie wusste, dass sie so schnell wie möglich aus diesem Ort verschwinden mussten, auch wenn dabei ihr ganzes Geld für einen Leihwagen draufging.
Sie sah noch einmal zu Preston. Jetzt, wo sie seinen Blick erwiderte, erwartete sie eigentlich, dass er wegsah. Aber das tat er nicht. Er strich sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte. Ein provokantes Lächeln. Nicht unschön, aber voller Begierde.
Wer weiß, wie viele Frauen bei diesem Lächeln ihren rasenden Herzschlag gespürt haben, dachte Emma. Aber wieso warf er ihr einen solchen Blick zu? Nachdem er so unfreundlich gewesen war schien es völlig abwegig, sich von ihr etwas anderes zu erhoffen als Missachtung. Außerdem hatte er ihr mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass ihre Gegenwart ihn nicht im Geringsten interessierte. Was sollte das also? Das war ja lächerlich.
Sie nahm ihren Sohn an der Hand und stieg aus dem Becken. Draußen hüllte sie sich in ein Handtuch, reichte Max das andere und warf Preston einen vernichtenden Blick zu. “Ein Glück, dass wir den jetzt los sind”, sagte sie und wandte sich ab.
Als sie sich ihrem Motel näherten und gerade die Straße überqueren wollten, bemerkte Emma einen großen Mann mit langen zerzausten Haaren, der auf die Rezeption zuging. Das war nicht Manuel, so viel war klar. Aber irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor.
7. KAPITEL
W o hatte sie den Mann schon einmal gesehen? Emma konnte sich nicht erinnern. Er war groß, etwa 1,90 Meter, aber sehr dünn, fast schon hager. Als er mit dem Motelbesitzer sprach, hob er seine Hand in Hüfthöhe, als sagte er gerade: “Der Junge ist etwa so groß.” Jedenfalls interpretierte Emma diese Geste so. Er trug eine Lederweste und sah schmutzig und roh aus, anders als Manuels Helfer. Denn Manuel legte Wert auf ein gewisses elegantes Auftreten, auch bei seinen Leuten.
“Warum gehen wir denn nicht weiter?”, wollte Max wissen.
Emma wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Alarmiert stand sie da und spürte eine Gefahr, die ihr nur allzu bekannt vorkam.
“Mommy?”, fragte Max mit müder Stimme.
“Wir warten, bis die Straße frei ist”, sagte sie. Allerdings fuhren schon seit drei oder vier Minuten keine Autos mehr vorbei. Dennoch zögerte sie. Sie war wie gelähmt. Wenn dieser Mann dort nun doch in Manuels Auftrag herumschnüffelte? Dann liefen sie ihm direkt in die Arme.
Aber Max zerrte an ihrem Arm. “Komm jetzt.”
Wer war der Kerl? Hatte sie ihn schon einmal bei sich zu Hause gesehen? Gelegentlich kamen fremde Männer vorbei, um sich mit Manuel in dessen Büro zu besprechen. Dieser könnte einer von ihnen gewesen sein. Vielleicht sah sie aber auch Gespenster, so wie es ihr mit dem roten Toyota auf der Fahrt hierher passiert war.
So wird es wohl sein, entschied sie, und nahm Max an der Hand. Sie überquerten die Straße und gingen auf den Moteleingang zu. Der Mann wollte sicher nur ein Zimmer mieten. Bestimmt würde er gleich einen Anmeldezettel unterschreiben und dann mit einem Schlüssel in der Hand zu seinem Zimmer gehen.
Doch die Frau des Motelbesitzers begleitete ihn aus dem Büro, ohne dass er vorher irgendetwas unterschrieb. Emma machte ein paar Schritte zurück und zog Max mit sich in den Schatten der Markise eines kleinen Ladens.
Der Mann folgte der Frau über den Parkplatz. Ab und zu blieben sie stehen und sprachen miteinander. Trotzdem ahnte Emma, wohin sie gingen. Als sie vor dem Zimmer mit der Nummer 21 stehen blieben und anklopften, wusste Emma, dass ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden waren. In Zimmer Nummer 21 schliefen Max und sie. Manuels Häscher hatte sie gefunden.
“Mommy, kann ich jetzt meinen Abendsnack bekommen?”, fragte Max.
“Ja, gleich, eine Minute noch.” Was konnte in einer einzigen Minute nicht alles passieren. Genau jetzt, in dieser Minute! Sie durften unmöglich stehen bleiben und wie gebannt auf das drohende Unheil starren.
So wie es aussah, holte
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