Flieh solange du kannst
lachte kurz und humorlos auf und sagte dann sehr ruhig: “Seien Sie vorsichtig. Sie wissen ja, Cowboys leben gefährlich. Und das Leben ist manchmal für Überraschungen gut.”
Damit wandte er sich ab und schritt erhobenen Hauptes in die nur schwach erleuchtete Lobby, wo er das Foto den dort anwesenden Gästen zeigte, immer mit der gleichen Frage:
Haben Sie meine Frau gesehen?
Die Spannung, die sich in Preston aufgebaut hatte, wuchs, je länger er ihn dabei beobachtete. Wie lange würde es wohl dauern, bis einer der Befragten antwortete: “Ja, ich habe sie gesehen, ich glaube, sie sind im Starlight Hotel abgestiegen.” Und selbst wenn niemand ihn darauf hinweisen würde, war Emma mit einem Kind, um das sie sich kümmern musste, und ohne Auto so gut wie verloren. Hinzu kam, dass der Junge auch noch an Diabetes litt. Sie hatte überhaupt keine Chance gegen diesen arroganten Mistkerl. Wenn sie nicht so schnell wie möglich die Stadt verließen, hätte Manuel sie spätestens am Abend gefunden.
Vor seinem geistigen Auge tauchte das Bild von ihrem elegant gebogenen Hals auf. Er hatte diesen Hals geküsst, hatte die zarte Haut gespürt. Sie hatte die Augen geschlossen und es geschehen lassen, seine Berührung genossen wie etwas, das sie noch nie vorher gespürt hatte.
Als Preston sich vorstellte, was sie wohl alles ertragen haben musste, als sie diesem Kerl ausgeliefert gewesen war, zerdrückte er unwillkürlich die Visitenkarte, die er noch immer in der Hand hielt.
“Ihr Wechselgeld, bitte”, sagte die Kellnerin.
Weil er an Emma und Max dachte, machte er eine abweisende Handbewegung. “Behalten Sie es.”
Sie steckte das Geld ein und blieb dann, eine Hand auf die Hüfte gelegt, kokett stehen. Als er überrascht aufsah, lächelte sie ihn auffordernd an. “Ihre Quittung sollten Sie aber wirklich nicht vergessen.” Lächelnd hielt sie ihm den Zettel hin.
Er nahm das Stück Papier und wollte es schon auf den Tisch legen, da er es nicht brauchte, da fasste sie seine Hand und drehte sie um, damit er die Rückseite sehen konnte. Darauf stand ihre Telefonnummer. “Rufen Sie mich doch mal an”, forderte sie ihn auf.
Während er sich aus der Nische schob, hatte er schon auf den Lippen, dass er nur auf der Durchreise war. Selbst bei einem längeren Aufenthalt wäre es ihm nicht in den Sinn gekommen, auf ihr Angebot einzugehen. Lange schon vermied Preston den Kontakt zu Frauen, er war zum Einzelgänger geworden.
Aber dann hielt er inne, als er bemerkte, dass Manuel noch immer die Gäste in der Lobby befragte. Der Mann ging ihm allmählich ganz schön auf die Nerven.
Lass das doch. Es geht dich nichts an. Vergiss Emma. Verschwinde aus diesem Ort. Du hast ganz andere Sorgen. Joanie will sich von Vincent scheiden lassen. Das könnte der Durchbruch sein, auf den du so lange gewartet hast.
Preston beobachtete, wie Manuel eine ältere Dame ansprach. Er lächelte sie freundlich an und benahm sich ganz wie ein Gentleman. Die alte Dame schien beeindruckt und lächelte zuvorkommend zurück.
“Mist”, stieß Preston hervor. Zum Teufel mit diesem Einzelgängertum! Natürlich wollte er sich Joanie vorknöpfen, aber zuerst musste er Emma helfen, heil aus diesem Kaff zu kommen. Dieser schmierige Lackaffe Manuel Rodriguez sollte nicht an sein Ziel kommen.
Nicht heute, nicht, wenn ich es verhindern kann!
“Wie bitte?”, fragte die erstaunte Kellnerin.
“Oh, entschuldigen Sie, ich musste gerade an etwas anderes denken”, sagte er. “Ich melde mich gern mal und dann können wir zusammen ausgehen. Aber vielleicht können Sie mir einen kleinen Gefallen tun?”
Ihre Augen sagten sehr deutlich, dass sie nicht darauf erpicht war, ihm allzu sehr entgegenzukommen. “Äh, vielleicht, wenn ich kann. Um was geht es denn?”
“Sehen Sie den Mann da drüben?”
“Der, mit dem Sie gerade gesprochen haben?”
“Genau der. Hat er Sie auch schon gefragt?”
“Nein, wieso?”
“Er ist auf der Suche nach meiner Schwester und ihrem kleinen Sohn. Aber er ist ein ganz übler Bursche. Er hat sie schlimm verprügelt, und ich habe versprochen ihr zu helfen, ihm zu entkommen.”
Sie sah ihn erschrocken an. “Er hat sie geschlagen?”
“Schlimmer als das”, sagte Preston mit einem Ausdruck extremen Widerwillens. Es fiel ihm leicht, denn er dachte an die grässliche Wunde auf Emmas Hand.
“Aber das ist ja schrecklich!”
Er nickte. “Können Sie zu ihm gehen? Und wenn er Sie dann anspricht und Ihnen ein Foto zeigt, auf dem
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