Flieh solange du kannst
tragen muss. Na gut, entschied er, so wie sie aussieht, dürfte sie fast jeden Mann dazu bringen, alles für sie zu tun. Kein Wunder, dass dieser Manuel so fanatisch hinter ihr herjagte.
Einen Moment schaute sie ihn verwirrt an, dann lächelte sie zurück. Bis ihr einzufallen schien, dass es wirklich keinen Grund gab, einander so anzusehen.
“Also gut, dann nehme ich mir jetzt ein Zimmer”, sagte sie. “Und dann kann ich dir Max abnehmen.”
“Ich hab das Zimmer schon bezahlt.”
“Das ist nett von dir. Ich gebe dir das Geld bald zurück.”
“Wenn du deine Handtasche aus dem Wagen holst, kannst du dann bitte auch meinen Laptop mitnehmen? Die Tasche hab ich schon.”
Alle Müdigkeit fiel von ihr ab, und sie riss ungläubig die Augen auf: “Deine Tasche? Deinen Laptop?”
“Ich habe mich entschlossen, euch beide nach Iowa zu bringen”, sagte er. Dann drehte er sich um und ging voran.
Emma fühlte sich gut, seit langer Zeit endlich wieder einmal. So ein Hotelzimmer der gehobenen Klasse machte es einem aber auch nicht besonders schwer, sich wohlzufühlen. Preston hatte ihr, obwohl er selbst nichts Frisches zum Anziehen mehr besaß, das T-Shirt geliehen, das er tagsüber getragen hatte, und die Boxer-Shorts, in der sie schon letzte Nacht geschlafen hatte, und so konnte sie endlich den engen, kneifenden Bikini ausziehen. Max’ Blutzuckerwerte waren in bester Ordnung, und er schlief tief und fest neben ihr. Preston lag auf dem nebenstehenden Bett, nur eine Armlänge von ihr entfernt. Auch wenn sie es nicht zugeben mochte, war sie doch gern mit ihm zusammen. Dank seiner Anwesenheit kam es ihr inzwischen wieder realistischer vor, Manuel für immer hinter sich zu lassen. Aber das war nicht alles. Emma erinnerte sich daran, wie er sie geküsst hatte, der Geruch seines Körpers entströmte dem T-Shirt, das sie trug – und sie fühlte sich, als hätte sie Schmetterlinge im Bauch. Ein Gefühl, das sie bislang nicht gekannt hatte. Aber das bedeutete auch, dass sie aufpassen musste. Sie wollte sich nicht schon wieder in eine schwierige Situation bringen. Natürlich war Preston nicht wie Manuel, aber auch er war problematisch, vor allem, wenn es um Max ging.
Mit diesen Gedanken lag Emma wach neben Max und merkte, dass sie nicht mehr schlafen konnte. Dennoch zwang sie sich, es weiter zu versuchen. Aber ihre Gedanken wanderten weiter: Wie würde es ihnen morgen ergehen? Und dann fiel ihr Juanita ein. Was hatte Manuel mit ihr gemacht? Wusste Rosa inzwischen vielleicht etwas?
Zu der kleinen Suite gehörte neben dem Schlafzimmer auch ein kleiner Wohnbereich. Emma schlüpfte aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen zu der Tür, die in den anliegenden Raum führte. Ganz vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich und setzte sich aufs Sofa. Dann griff sie nach dem Telefon.
14. KAPITEL
I rgendetwas riss Preston aus dem Schlaf, aber er wusste nicht was. Schlaflose Nächte waren ihm zwar vertraut, denn oft dachte er stundenlang über Vincent nach, aber im Moment versuchte er diese Gedanken und die Gefühle, die sie in ihm wachriefen, zu verbannen. Er würde diesen Mistkerl aufspüren. Bald schon. Es war nicht nötig, auf Schlaf zu verzichten, um sich auszumalen, was dann passierte. Er brauchte jetzt wirklich ein paar Stunden Ruhe.
Daher widerstand er dem Drang, die Augen zu öffnen, und rollte sich auf die Seite. Aber so wie er jetzt lag, machte es auch keinen großen Unterschied. Die Gesprächsfetzen von einst, die Warnzeichen, die er viel früher hätte registrieren sollen, all diese bedrückenden Erinnerungen drängten auf ihn ein und riefen die Wut und die Schuldgefühle wach, die er schon so lange mit sich herumtrug.
Preston drehte sich auf den Rücken und legte den Arm über die Augen. Die Erinnerung an einen Frühlingstag vor drei Jahren kam ihm wieder in den Sinn.
“Guter Schlag, alter Freund”, hatte Vincent gesagt und Preston einen freundlichen Klaps auf die Schulter gegeben. Sie spielten auf einem Golfplatz in der Nähe von San Francisco, unter jahrhundertealten Eukalyptusbäumen und alten Kiefern. “Wenn ich lange genug mit dir spiele, färbt vielleicht irgendwann einmal ein bisschen was von deinem Glück auf mich ab.”
Preston lächelte. Vincent spielte wirklich ziemlich schlecht, aber dennoch liebte er es, auf Golfplätzen zu sein.
“Das nächste Mal nehmen wir die Frauen mit”, antwortete er.
Vincent hob den Schläger für den nächsten Schlag und sagte: “Ach, ich weiß nicht. Die gehen doch
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