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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Entschluß.«
    »Was für einen Entschluß?«
    »Ich werde Nick das Haus vererben.«
    »Mutter, darüber möchte ich jetzt nicht reden.«
    »Er braucht eine Sicherheit.«
    »Du wirst doch wieder gesund. Wir können uns darüber unterhalten, wenn es dir besser geht.«
    »Er ist nicht so stark wie du«, fuhr ihre Mutter fort. »Das ist der Grund, weshalb er immer in Schwierigkeiten gerät. Du mußt ihm helfen.
    »Nick ist ein erwachsener Mann, Mutter. Er kann für sich selbst sorgen.«
    »Er hat nie versucht, jemanden zu töten. Er ist unschuldig. Du weißt es. Du wirst sehen, man wird ihn freisprechen. Genau wie das letztemal. Er muß bestimmt nicht ins Gefängnis. Das ist alles nur ein schreckliches Mißverständnis.«
    »Mutter, du mußt aufhören, dir seinetwegen Sorgen zu machen. Das tut dir nicht gut.«
    »Er ist immer ein Schlingel gewesen«, sagte ihre Mutter beinahe stolz. »Ganz anders als du. Bei dir konnte ich mich immer darauf verlassen, daß du das Rechte tust. Du bist meine Gute.« Sie versuchte zu lächeln, aber der Schlaganfall hatte einen Teil ihres Gesichts gelähmt, und das Lächeln gelang nicht. »Aber er hat mich immer zum Lachen gebracht mit seinen dummen Streichen. Mit seinem wilden Geballer – peng, peng«, sagte ihre Mutter, und ihre Augen lächelten, auch wenn ihre Lippen es nicht konnten. »Du verstehst mich doch, nicht wahr, Bonnie?« sagte sie. »Du hast ja schon ein Haus. Du hast einen Ehemann und bekommst bald ein Kind. Nick hat nichts. Er braucht etwas, das ihm Halt gibt.«
    »Tu, was du für richtig hältst, Mutter«, hörte Bonnie sich sagen. »Das Haus ist mir nicht wichtig. Nichts daran ist mir wichtig.«
    »Du hast gelogen, nicht wahr?« fragte jetzt die Frau auf dem Bett und grapschte nach Bonnies Hand, um sie zu zwingen, in ihr eigenes Spiegelbild zurückzukehren. »Du konntest noch nie lügen.«
    Bonnie wollte zurückweichen, doch die Hand war zu schnell, zu kräftig. Unerbittlich zog sie sie immer näher zu der Frau in dem Bett.
    »Nein!« protestierte sie. »Laß mich in Ruhe. Bitte!«
    »Sieh mich an«, befahl die Frau.
    Bonnie legte die andere Hand über ihre Augen. »Nein. Nein.«
    »Sieh mich an«, befahl die Frau wieder und löste mit skelettdürren Fingern gewaltsam Bonnies Hand von ihrem Gesicht.
    Ohnmächtig ließ Bonnie ihre Arme an den Seiten herabfallen. Sie öffnete die Augen und sah die Frau im Bett an, und langsam verzogen sich alle Schatten der Vergangenheit.
    Ihre Mutter blickte ihr in die Augen. Ihr dickes, braunes Haar war aus dem Gesicht gekämmt und im Nacken mit einer silbernen Spange zusammengehalten. Die Augen waren so tief und so kalt wie ein arktischer See, die bleiche Haut spannte sich straff über den hohen Wangenknochen. Um ihren Mund unter der aufgeworfenen Nase schwebte ein unechtes Lächeln.
    »Du siehst müde aus«, sagte sie, während sie den obersten Knopf ihres weißen Morgenrocks schloß.
    »Es geht mir seit einiger Zeit nicht besonders gut«, erwiderte Bonnie.
    »Warst du beim Arzt?«
    »Ja.« Sie schwieg, schluckte. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen.«
    »Ich? Wie denn?«
    »Das weiß ich auch nicht so genau.«
    »Warum bist du hierhergekommen?«
    »Ich wollte dich sehen.«
    »Und was glaubst du, daß ich für dich tun kann?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Bonnie aufrichtig. »Wußtest du, daß Nick das Haus gleich nach deinem Tod an Daddy verkauft hat?«
    »Er brauchte Geld für die Anwälte.«
    »Du hattest ihm Geld für die Anwälte gegeben.«
    »Das Haus war zu groß für ihn. Außerdem reiste er doch so gern. Weißt du noch, wie er nach dem College auf die Walz ging und ganz allein durchs Land gefahren ist...«
    »Hör auf, ihn dauernd zu entschuldigen.«
    »Er ist mein Sohn.«
    »Und ich bin deine Tochter!«
    Ihre Mutter sagte nichts. Bonnie starrte in den Spiegel, auf die sich endlos wiederholenden Bilder von Mutter und Tochter, die er ihr zurückwarf. Generationen von Müttern und Töchtern, dachte sie, so nahe wie ihre eigenen Spiegelbilder und so unerreichbar.
    »Ich wußte nicht, daß dir das Haus soviel bedeutete«, sagte ihre Mutter.
    »Um das Haus geht es überhaupt nicht«, rief Bonnie. »Das Haus interessiert mich nicht.«
    »Dann verstehe ich nicht.«
    »Du bist mir wichtig. Dich liebe ich.«
    »Ich liebe dich auch«, sagte ihre Mutter ruhig.
    »Nein«, widersprach Bonnie. »In deinem Herzen war nur für ein Kind Platz, und dieses Kind war Nick.«
    »Das ist ja lächerlich, Bonnie. Ich habe dich immer

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