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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Joan gegenüber. Rod hatte sie als frühere Freunde bezeichnet.
    »Ihr seid offensichtlich nicht gerade ein Herz und eine Seele«, sagte sie.
    »Man kann es nicht jedem rechtmachen«, gab Rod unbeeindruckt zurück.
    Was war denn zwischen euch, hätte Bonnie gern gefragt, fand es dann aber besser, den Mund zu halten. Dies war weder die Zeit noch der Ort, um alte Wunden aufzureißen und zu untersuchen. Sie würde Rod später danach fragen.
    Als sie neben sich unterdrücktes Schluchzen hörte, blickte sie an Sam vorbei zu Lauren, die in einem lose sitzenden, langen blauen Kleid wie verloren wirkte. »Brauchst du ein Taschentuch?« fragte sie und hielt dem jungen Mädchen ein Papiertuch hin. Aber Lauren reagiert nicht einmal.
    Bonnie faßte Rods Hand. Hilf mir, flehte sie stumm. Hilf mir deine Kinder kennenlernen. Sag mir, wie ich zu ihnen durchdringen kann.
    Aber wie sollte er das können, fragte sie sich, da er sie doch selbst kaum kannte.
    Sie hatten sich geweigert, das neue Haus ihres Vaters zu betreten, an seinem neuen Leben teilzuhaben, im Lauf der Jahre waren durch Zeitprobleme und immer stärker hervortretend Loyalitätskonflikte Rods wöchentliche Besuche bei seinen Kindern zu reinen Zufallsbegegnungen geworden. Es war nicht seine Schuld. Es war auch nicht ihre Schuld. Niemand war schuld daran. Es war, so traurig das war, einfach so gekommen.
    Die vergangene Woche war schwierig gewesen. Bonnie galt der Polizei offensichtlich immer noch als verdächtig. Die Beamten waren mehrmals vorbeigekommen, um ihr weitere Fragen zu stellen und mit Sam und Lauren zu sprechen. Über den Inhalt dieser Gespräche erfuhr Bonnie nichts; weder Sam noch Lauren hatten auch nur das geringste Bedürfnis gezeigt, sich ihr oder Rod mitzuteilen. Im Gegenteil, sobald Bonnie versuchte, sich ihnen zu nähern, zogen sie sich in sich selbst zurück. Sie kamen nur zum Essen aus ihren Zimmern und auch dann nur widerwillig. Nachdem das ein paar Tage so gegangen war, hatte Rod seine tägliche Arbeit wiederaufgenommen. Bonnie hätte gerne das gleiche getan, zumal ihre Anwesenheit im Haus eher unerwünscht zu sein schien. Doch sie meinte, Sam und Lauren nicht einfach in einem fremden Haus allein lassen zu können. Jedenfalls noch nicht. Sie mußte da sein, falls die beiden sie brauchen sollten. Wenigstens bis nach der Beerdigung.
    »Du bist eine gute Seele«, hörte sie ihre Mutter sagen, und die Tränen schossen ihr in die Augen bei der Erinnerung an eine andere Frau, die viel zu früh gestorben war. Es ist schon komisch, dachte sie, daß ich jetzt tatsächlich eine Woche lang schulfrei habe, wenn es auch weiß Gott nicht der romantische Urlaub unter Palmen ist, den ich mir vorgestellt hatte. »Du bist meine Brave«, hörte sie wieder die Stimme ihrer Mutter und drehte unwillkürlich den Kopf, um zu sehen, ob ihr Bruder unter den Trauergästen sei.
    »Was ist denn?« fragte Rod und legte seinen Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu ziehen.
    Bonnie schüttelte nur den Kopf. Sie richtete ihren Blick wieder auf den mit Blumen über und über bedeckten Sarg, zupfte am Kragen ihrer grauen Seidenbluse und glättete die Falten ihres schwarzen Rocks, obwohl es da nichts zu glätten gab. Dann hörte sie Schritte und Füßescharren, und als sie aufblickte, sah sie, daß Sams Freund Haze sich auf der anderen Seite des Gangs in eine der Bänke schob.
    »Hallo, Mrs. Wheeler«, sagte er. »Wie geht’s denn so?«
    Ein großer grauhaariger Mann trat vorn auf das Podium. »In tiefer Traurigkeit«, begann er mit gedämpfter Stimme, »haben wir uns heute hier versammelt, um Joan Wheeler zu betrauern. Und es sagt einiges über die hohe Wertschätzung, die Joan Wheeler allseits genossen hat, daß so viele von Ihnen heute hierhergekommen sind. Nie hat sie trotz tragischer Verluste ihre Güte, ihren Lebenswillen, ihre Demut und ihren Humor verloren«, fuhr er fort, und wieder überlegte Bonnie, wer eigentlich diese Frau war, auf die er seine Lobeshymnen ausbrachte.
    In respektvollem Ton fuhr der Mann fort, Joans Leistungen aufzuzählen. In wohltönenden Worten ließ er sich über ihre Liebe zu ihren Kindern aus, spielte nur mit vagen Andeutungen auf die Umstände des Todes ihres jüngsten Kindes an, fand angemessene Euphemismen für Joans anschließende Flucht in den Alkohol, berichtete, daß Joan in den Tagen unmittelbar vor ihrem Tod von neuer Entschlußkraft erfüllt gewesen sei, ihm gesagt habe, daß sie entschlossen sei, sich zusammenzureißen und ihr Haus in

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