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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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eine der Holzbänke und enthielt sich jeglichen Kommentars, während der Alte mit dem Ausdruck eines Mannes, der sich gleich ein paar schöne Momente gönnt, ohne lange zu fragen, ihm gegenüber Platz nahm.
    »Nun, Adamsberg«, begann der Alte frohlockend, »erkennt man die Ehemaligen nicht wieder? Grüßt man nicht mehr? Respektiert man wie gewöhnlich nichts?«
    Sprachlos starrte Adamsberg den alten Mann an und rief die in seiner Erinnerung vergrabenen Bilder auf. Es konnte nicht gerade gestern gewesen sein, gewiß nicht. Es würde mindestens zehn Minuten dauern, bis das Bild wieder hochkam. Der Typ mit dem Lappen, Devernois, hatte seine Bewegungen verlangsamt und blickte von einem zum anderen.
    »Ich sehe, Sie haben sich nicht verändert«, fuhr der Alte lächelnd fort. »Das hat Sie nicht daran gehindert, von Ihrem Schemel als Brigadier-Major aus die Leiter hochzuklettern. Man muß zugeben, Sie hatten verdammte Erfolge, Adamsberg. Der Fall Carréron, der Fall von der Somme, die Müllkippe von Valandry, gewaltige Trophäen. Ohne von den jüngeren Großtaten zu reden, dem Fall Le Nermord, dem Gemetzel im Mercantour, dem Fall Vinteuil. Glückwunsch, Kommissar. Ich habe Ihre Karriere aufmerksam verfolgt, wie Sie sehen.«
    »Warum?« fragte Adamsberg in der Defensive.
    »Weil ich mich gefragt habe, ob man Sie leben oder sterben lassen würde. Mit Ihrem Wesen wie wilder Kerbel, der auf einer geharkten Wiese wächst, so ruhig und gleichgültig, haben Sie alle genervt, Adamsberg. Ich glaube, das wissen Sie besser als ich. Sie haben sich im Polizeiapparat wie eine Billardkugel in den Gängen der Hierarchie bewegt. Unkontrolliert und unkontrollierbar. Ja, ich habe mich gefragt, ob man Sie wachsen lassen würde. Sie haben sich durchgeschlängelt, um so besser. Ich hatte nicht dasselbe Glück wie sie. Man hat mich erwischt und raus geworfen.«
    »Armand Vandoosler«, murmelte Adamsberg und sah hinter den Zügen des alten Mannes ein energisches Gesicht erscheinen, einen um dreiundzwanzig Jahre jüngeren Kommissar, bissig, egozentrisch, genießerisch.
    »Sie sagen es.«
    »Im Hérault«, fuhr Adamsberg fort.
    »Ja. Das verschwundene junge Mädchen. Sie sind mit dem Fall gut zurechtgekommen, Brigadier-Major. Wir haben den Kerl im Hafen von Nizza geschnappt.«
    »Und unter den Arkaden zu Abend gegessen.«
    »Pulpo.«
    »Pulpo.«
    »Ich hol mir ein Glas Wein«, beschloß Vandoosler und stand auf. »Das muß begossen werden.«
    »Ist Marc Ihr Sohn?« fragte Adamsberg und akzeptierte die Einladung.
    »Mein Neffe und Patensohn. Er beherbergt mich im Obergeschoß, weil er ein guter Kerl ist. Sie müssen wissen, Adamsberg, daß ich genauso ätzend geblieben bin wie Sie wendig. Sogar noch ätzender. Und Sie? Noch wendiger?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Schon damals gab es einen Haufen Dinge, die Sie nicht wußten, was Sie aber nicht weiter zu beunruhigen schien. Was suchen Sie hier in diesem Haus, das Sie nicht wissen?«
    »Einen Mörder.«
    »Und wo ist der Zusammenhang mit meinem Neffen?«
    »Die Pest.«
    Vandoosler der Ältere nickte. Er nahm einen Besenstiel und stieß zweimal gegen die Decke. An dieser Stelle war der Gips von den Stößen schon reichlich eingedellt.
    »Wir sind hier vier«, erklärte Vandoosler der Ältere, »und wohnen übereinandergestapelt. Ein Stoß für den heiligen Matthäus, zwei Stöße für den heiligen Markus, drei Stöße für den hier mit seinem Lappen anwesenden heiligen Lukas und vier Stöße für mich. Sieben Stöße: Hinunterstürzen aller Evangelisten.«
    Während er den Besenstiel beiseite stellte, warf Vandoosler Adamsberg einen Blick zu.
    »Sie ändern sich nicht, wie?« fragt er. »Sie sind durch nichts zu beeindrucken, wie?«
    Adamsberg lächelte statt einer Antwort, und Marc erschien im Refektorium. Er ging um den Tisch, schüttelte dem Kommissar die Hand und warf seinem Onkel einen verärgerten Blick zu.
    »Ich sehe, daß du die Leitung der Operation schon an dich gerissen hast«, bemerkte er.
    »Tut mir leid, Marc. Wir haben vor dreiundzwanzig Jahren zusammen Pulpo gegessen.«
    »Das Zusammenrücken in den Gräben«, murmelte Luden und faltete seinen Lappen.
    Adamsberg betrachtete den Pestologen, Vandoosler den Jüngeren. Schmal, agil, schwarzes glattes Haar und in den Gesichtszügen irgend etwas Indianisches. Er war von oben bis unten dunkel gekleidet, abgesehen von einem etwas protzigen Gürtel, und trug Silberringe an den Fingern. An seinen Füßen bemerkte Adamsberg schwere schwarze

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