Fliehe weit und schnell
nicht, daß Laurion durch Erdrosseln starb, daß die Pestsymptome lediglich vorgetäuscht waren?«
Adamsberg war aufgestanden, hatte die Tür zugemacht und dann seinen Stuhl neben den seines Stellvertreters gerückt.
»Ich erinnere mich«, erwiderte Danglard. »Aber in seiner Vorliebe für Symbole hat CLT die Detailtreue so weit getrieben, daß er Flöhe in der Wohnung ausgesetzt hat. Das kann kein Zufall sein. Im Kopf dieses Verrückten sind es pestverseuchte Flöhe. Und nichts, absolut nichts garantiert mir, daß sie nicht tatsächlich infiziert sind.«
»Wenn sie es wären: Warum hätte er sich dann die Mühe gemacht, Laurion zu erdrosseln?«
»Weil er den Tod selbst verursachen will. Ich bin kein Angsthase, Kommissar. Aber von Flöhen gebissen zu werden, die von einem Pestbesessenen ausgesetzt wurden, finde ich nicht lustig.«
»Wer hat uns gestern begleitet?«
»Justin, Voisenet und Kernorkian. Sie. Der Gerichtsmediziner. Devillard und die Männer vom 1. Arrondissement.«
»Haben Sie sie noch?« fragte Adamsberg und griff nach dem Telefon.
»Wen?«
»Ihre Flöhe.«
»Sicher. Es sei denn, sie treiben sich schon in der Brigade herum.«
Adamsberg nahm den Telefonhörer und wählte die Nummer des Labors der Präfektur.
»Adamsberg«, sagte er. »Erinnern Sie sich an das Insekt, das Sie in dem leeren Umschlag gefunden haben? Ja, genau. Machen Sie dem Entomologen Beine, die Sache hat absoluten Vorrang. Na, dann hat er Pech, sagen Sie ihm, er soll seine Fliegen auf später verschieben. Es ist dringend, mein Lieber, ein Pestfall. Ja, tummeln Sie sich, und sagen Sie ihm, daß ich ihm weitere Exemplare schicke, die noch leben. Er soll vorsichtig sein und vor allem absolutes Stillschweigen bewahren.«
»Was Sie betrifft, Danglard«, sagte er, als er auflegte, »gehen Sie unter die Dusche, und stopfen Sie alle Ihre Klamotten in eine Plastiktüte. Wir lassen sie analysieren.«
»Wie soll ich das machen? Soll ich den ganzen Tag nackt rumlaufen?«
»Ich werde Ihnen ein paar Sachen zum Anziehen kaufen«, antwortete Adamsberg und stand auf. »Sie brauchen Ihre Tierchen nicht in der ganzen Stadt zu verbreiten.«
Danglard war zu sehr durcheinander, um sich wegen der Kleidungsstücke, die Adamsberg ihm bringen würde, zu beunruhigen. Aber eine unbestimmte Sorge durchzog seine Gedanken.
»Beeilen Sie sich, Danglard. Ich schicke die Desinfektion zu Ihnen und hier in die Brigade. Und ich alarmiere Devillard.«
Bevor er seine Kleidungskäufe tätigte, rief Adamsberg Marc Vandoosler, den putzenden Historiker, an. Zufällig saß dieser gerade bei einem späten Mittagessen zu Hause.
»Erinnern Sie sich an den Fall mit den Vieren, wegen dem ich Sie um Rat gefragt habe?« fragte Adamsberg.
»Ja«, antwortete Vandoosler. »Inzwischen habe ich die Bekanntmachung in den Acht-Uhr-Nachrichten gehört und heute morgen die Zeitungen gelesen. Dort steht, man habe einen Toten gefunden, und ein Journalist versichert, daß beim Hinaustragen der Leiche ein Arm unter dem Tuch heraus geragt habe, und zwar ein Arm mit schwarzen Flecken.«
»Mist«, sagte Adamsberg.
»War die Leiche schwarz, Kommissar?«
»Kennen Sie sich mit Pestangelegenheiten aus?« fragte Adamsberg statt einer Antwort. »Oder nur mit Ziffern?«
»Ich bin Mediävist«, erklärte Vandoosler. »Ich kenne die Pest gut, ja.«
»Gibt es viele, die sich damit auskennen?«
»Pestologen? Sagen wir, gegenwärtig gibt es fünf. Ich rede nicht von Biologen. Ich habe zwei Kollegen im Süden, die eher Richtung medizinische Aspekte der Frage arbeiten, einen weiteren in Bordeaux, der sich mehr auf die Überträger konzentriert, und einen Historiker, der in Richtung Demographie arbeitet, an der Universität von Clermont.«
»Und Sie? In welcher Richtung arbeiten Sie?«
»Richtung Arbeitslosigkeit.«
Fünf, sagte sich Adamsberg, das ist nicht viel für ein ganzes Land. Und bis jetzt war Marc Vandoosler der einzige gewesen, der die Bedeutung der Vieren kannte. Historiker, literarisch gebildet, Pestologe und sicher Latinist, es würde sich bestimmt lohnen, sich den Mann genauer anzusehen.
»Sagen Sie, Vandoosler, wieviel Zeit würden Sie für die Dauer der Krankheit veranschlagen? Grob?«
»Im Schnitt drei bis vier Tage Inkubationszeit, aber manchmal auch nur ein oder zwei, und fünf bis sieben Tage klare Pestsymptome. Grosso modo.«
»Kann man es erfolgreich behandeln?«
»Wenn man bei den allerersten Symptomen damit anfängt.«
»Ich glaube, ich werde Sie brauchen.
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