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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Wären Sie bereit, mich zu empfangen?«
    »Wo?« fragte Vandoosler mißtrauisch.
    »Bei Ihnen?«
    »Einverstanden«, antwortete Vandoosler nach deutlichem Zögern.
    Der Junge war zurückhaltend. Aber das waren viele bei der Vorstellung, einen Bullen bei sich aufkreuzen zu sehen, im Grunde fast alle. Das machte aus diesem Vandoosler noch nicht automatisch einen CLT.
    »In zwei Stunden«, schlug Adamsberg vor.
    Er legte auf und eilte in das Kaufhaus an der Place d'Italie. Er schätzte Danglard auf Größe 52 oder 54, fünfzehn Zentimeter größer als er selbst und dreißig Kilo schwerer. Er brauchte etwas, um seinen Bauch darin zu verstauen. Er nahm ein paar Strümpfe vom Haken, Jeans und ein großes schwarzes T-Shirt, denn weiß macht dick, hatte er gehört, und Streifen auch. Eine Jacke war nicht nötig, es war angenehm draußen, und dank des Biers war Danglard immer warm.
    Eingewickelt in ein Handtuch, wartete Danglard im Duschraum. Adamsberg gab ihm die neuen Kleidungsstücke.
    »Ich schicke das Paket mit den Klamotten ins Labor«, sagte er und hob den großen Müllsack auf, in den Danglard seine Sachen gesteckt hatte. »Keine Panik, Danglard. Sie haben zwei Tage Inkubationszeit vor sich, wir haben genug Spielraum. Das läßt uns Zeit, die Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Sie werden unserem Problem absolute Priorität einräumen.«
    »Danke«, brummte Danglard und zog das T-Shirt und die Jeans aus der Tüte. »Meine Güte, wollen Sie etwa, daß ich das anziehe?«
    »Sie werden sehen, es wird Ihnen perfekt stehen, Hauptmann.«
    »Ich werde aussehen wie ein Idiot.«
    »Sehe ich aus wie ein Idiot?«
    Danglard antwortete nicht und erforschte die Tiefen der Tüte.
    »Sie haben mir keine Unterhose gekauft.«
    »Das habe ich vergessen, Danglard, aber es ist ja kein Drama. Trinken Sie bis heute abend einfach weniger Bier.«
    »Praktisch.«
    »Haben Sie der Schule Bescheid gegeben? Damit die Kinder untersucht werden?«
    »Natürlich.«
    »Zeigen Sie mir diese Bisse.«
    Danglard hob einen Arm, und Adamsberg zählte drei große, gerötete Stellen unter der Achsel.
    »Unbestreitbar«, gab er zu. »Es sind Flöhe.«
    »Haben Sie keine Angst, sich auch welche zu holen?« fragte Danglard, als er sah, wie Adamsberg den Sack in alle Richtungen drehte, um ihn zuzubinden.
    »Nein, Danglard. Ich habe nicht oft Angst. Damit warte ich, bis ich tot bin, das wird mir das Leben weniger vermiesen. Um die Wahrheit zu sagen: Das einzige Mal in meinem Leben, wo ich wirklich Angst hatte, war, als ich ganz allein auf dem Rücken liegend diesen Gletscher runter bin, praktisch senkrecht. Was mir außer dem unmittelbar drohenden Absturz Angst machte, waren diese verdammten Gemsen neben mir, die mir mit ihren großen braunen Augen zu sagen schienen: ›Du armer Irrer. Das schaffst du nie.‹ Ich respektiere das, was die Gemsen mit ihren Augen sagen, aber ich werde es Ihnen ein andermal erzählen, Danglard, wenn Sie weniger angespannt sind.«
    »Bitte«, erwiderte Danglard.
    »Ich werde diesem putzenden Historiker-Pestologen Marc Vandoosler, der nicht weit von hier in der Rue Chasle wohnt, einen kleinen Besuch abstatten. Schauen Sie nach, ob Sie etwas über ihn haben, und leiten Sie alle Anrufe des Labors auf mein Handy weiter.«
     

19
     
    In der Rue Chasle blieb Adamsberg vor einem heruntergekommenen, schmalen, hohen Haus stehen, das erstaunlicherweise mitten in Paris erhalten geblieben war. Mit einer gewissen Befriedigung querte er den mit hohem Gras bewachsenen Streifen Brachland, der das Gebäude von der Straße trennte. Ein alter Mann öffnete ihm spöttisch lächelnd die Tür, er hatte ein schönes Gesicht, das im Gegensatz zu Decambrais' nicht den Eindruck vermittelte, als habe sein Träger mit den Vergnügungen des Lebens abgeschlossen. Er hielt einen Holzlöffel in der Hand und wies ihm mit dessen Ende den Weg.
    »Nehmen Sie im Refektorium Platz«, sagte er.
    Adamsberg betrat einen großen Raum mit drei hohen Rundbogenfenstern, in dem ein langer Holztisch stand, an dessen Oberfläche sich ein Krawattenträger in gekonnten kreisförmigen Bewegungen mit Lappen und Wachs zu schaffen machte.
    »Luden Devernois«, stellte der Mann sich mit lauter Stimme und festem Händedruck vor, nachdem er seinen Lappen weggelegt hatte. »Marc ist in einer Minute fertig.«
    »Entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte der Alte. »Das ist die Zeit, zu der Lucien den Tisch wachst. Da kann man nichts machen, so ist die Vorschrift.«
    Adamsberg setzte sich auf

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