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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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weit weg und komme spät zurück. Mit anderen Worten, verschwinde, so schnell du kannst, und das für eine Ewigkeit. Das ist das berühmte ›Elektuarium der drei Adverbien‹: ›Schnell, weit, spät‹. Auf lateinisch: ›cito, longe, tarde‹. CLT.«
    »Können Sie mir das aufschreiben?« bat Adamsberg und hielt ihm sein Notizbuch hin.
    Marc kritzelte ein paar Zeilen.
    »›CLT‹ ist ein Ratschlag, den Ihr Mörder den Leuten gibt, während er sie durch die Vier zugleich schützt«, erklärte Marc und gab ihm sein Notizbuch zurück.
    »Mir wären Initialen bedeutend lieber gewesen«, bemerkte Adamsberg.
    »Verstehe ich. Können Sie mich auf dem laufenden halten? Was die Flöhe betrifft?«
    »Haben Sie solches Interesse an den Ermittlungen?«
    »Darum geht es nicht«, erwiderte Marc lächelnd. »Aber vielleicht haben Sie Nosopsyllus an sich. In diesem Fall habe ich vielleicht auch welche. Und die anderen genauso.«
    »Ich verstehe.«
    »Das ist ein anderes Mittel gegen die Pest. Stopp sie rasch und wasch dich gut. SWG.«
    Beim Hinausgehen begegnete Adamsberg dem blonden Riesen und wandte sich an ihn, um ihm eine einzige Frage zu stellen.
    »Ein Paar war beige«, antwortete Mathias, »mit einer grauen linken Seite, und das andere war blau mit Jakobsmuschel-Muster.«
    Leicht benommen verließ Adamsberg das Haus in der Rue Chasle durch den brachliegenden Garten. Es gab Leute auf Erden, die Unmengen von unglaublichen Dingen wußten. Die erst in der Schule zugehört und anschließend weiter kesselwagenweise Kenntnisse eingefahren hatten. Kenntnisse von einer anderen Welt. Leute, die ihr Leben mit Geschichten von Pestbereitern, Salben, lateinischen Flöhen und Elektuarien verbrachten. Und er war sich ganz sicher, daß das alles nur ein Bruchteil der Kesselwagenladungen war, die im Kopf dieses Marc Vandoosler angehäuft waren. Kesselwagenladungen, die ihm anscheinend nicht dabei halfen, besser im Leben zurechtzukommen als andere. In diesem Fall jedoch würde es helfen, und zwar gewaltig.
     

20
     
    In der Brigade waren neue Faxe aus dem Labor eingegangen, und Adamsberg sah sie sich rasch an: Die ›Speziellen‹ trugen keinerlei Fingerabdrücke, abgesehen von denen des Ausrufers und Decambrais', die auf allen Anzeigen identifiziert worden waren.
    »Es hätte mich überrascht, wenn der Pestbereiter sich hätte hinreißen lassen, seine Finger auf die Botschaften zu setzen«, sagte Adamsberg.
    »Warum leistet er sich solche Umschläge?« fragte Danglard.
    »Eine Frage des Zeremoniells. In seinen Augen haben alle seine Handlungen einen hohen Wert. Er wird sie nicht in einem proletarischen Umschlag präsentieren. Er will sie in edle Kuverts hüllen, weil das ein Akt hochgradiger Verfeinerung ist. Nicht so erbärmlich wie bei dem erstbesten dahergelaufenen Passanten wie Ihnen oder mir, Danglard. Es ist unvorstellbar, daß ein großer Koch Ihnen eine Blätterteigpastete in einer Plastikschüssel serviert. Nun, hier ist es genauso. Der Umschlag entspricht der Geste: Er ist ausgefallen.«
    »Fingerabdrücke von Le Guern und Ducouèdic«, sagte Danglard und legte das Fax zurück. »Zwei ehemalige Häftlinge.«
    »Ja. Aber nur kurze Haftstrafen. Neun und sechs Monate.«
    »Zeit genug, um nützliche Kontakte zu knüpfen«, gab Danglard zu bedenken, während er sich heftig unter dem
    Arm kratzte. »Der Schlosserlehrgang kann auch nach dem Knast stattgefunden haben. Wie lauteten die Anklagepunkte?«
    »Bei Le Guern war es Körperverletzung mit Tötungsabsicht.«
    Danglard stieß einen Pfiff aus. »Na, das ist doch schon mal was. Warum hat er nicht mehr bekommen?«
    »Mildernde Umstände: Der Reeder, den er zusammengeschlagen hat, hat seinen Trawler verrotten lassen, und das Schiff ist schließlich abgesoffen. Zwei Seeleute sind dabei ertrunken. Als Le Guern aus dem Rettungshubschrauber stieg, war er schier wahnsinnig vor Schmerz und hat sich auf ihn gestürzt.«
    »Hat der Reeder was aufgebrummt gekriegt?«
    »Nein. Weder er noch die Kerle vom Hafenamt, die ihn gedeckt haben und die nach Joss Le Guerns damaliger Aussage geschmiert wurden. Alle Reeder haben sich abgesprochen und Le Guern dann in sämtlichen Häfen der Bretagne abblitzen lassen. Er hat nie wieder einen Job als Kapitän gefunden. Vor dreizehn Jahren ist er dann völlig mittellos auf dem Vorplatz von Montparnasse gelandet.«
    »Da hat er ja wirklich einigen Grund, der ganzen Welt böse zu sein, glauben Sie nicht?«
    »Gewiß, und außerdem ist er cholerisch und

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