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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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das Ergebnis zu informieren. Nacheinander wählte er die sechsundzwanzig Nummern der anderen Beamten der Brigade, dann die des Gerichtsmediziners und die von Devillard. Kein einziger beschwerte sich darüber, daß er mitten in der Nacht geweckt wurde. Er fand sich unter seinen Mitarbeitern nicht zurecht, und sein Notizbuch war nicht mehr auf dem neuesten Stand. Er hatte keine Zeit gehabt, sich weiter um seine Notizen zu kümmern oder Camille anzurufen, um sich mit ihr zu verabreden. Er hatte den Eindruck, der Pestbereiter würde ihn kaum noch zum Schlafen kommen lassen.
     
    Um sieben Uhr dreißig erreichte ihn ein Anruf auf offener Straße, als er gerade vom Marais zur Brigade lief.
    »Kommissar?« fragte eine atemlose Stimme. »Brigadier Gardon, vom Nachtdienst. Zwei Leichen auf dem Bürgersteig im 12. Arrondissement, eine in der Rue de Rottembourg, die andere nicht weit entfernt auf dem Boulevard Soult. Nackt auf dem Asphalt ausgestreckt und mit Holzkohle eingerieben. Zwei Männer.«
     

21
     
    Um zwölf Uhr mittags waren die beiden Toten ins Leichenschauhaus gebracht und der Fundort wieder für den Verkehr freigegeben worden. Da die schwarzen Körper so spektakulär auf dem Bürgersteig drapiert worden waren, bestand keinerlei Hoffnung mehr, die Öffentlichkeit noch länger heraushalten zu können. Noch am selben Abend würden die Fernsehnachrichten sich auf die Toten stürzen, und am nächsten Morgen würde alles in den Zeitungen stehen. Es würde unmöglich sein, die Identität der Opfer geheimzuhalten, und die Verbindung zu ihren Wohnungen in der Rue Poulet und der Avenue de Tourville wäre schnell hergestellt. Zwei Häuser, deren Wohnungstüren sämtlich mit Vieren bemalt worden waren, mit Ausnahme einer einzigen, der ihren. Zwei Männer im Alter von einunddreißig und sechsunddreißig Jahren, der eine Familienvater, der andere in einer festen Beziehung lebend. Drei Viertel von den Leuten der Brigade hatten sich über die Hauptstadt verteilt, die einen suchten nach Zeugen an den Orten, an denen die Toten gefunden worden waren, die anderen hatten sich erneut in die beiden Häuser begeben, um den Angehörigen irgendwelche Informationen zu entlocken, die auf eine Verbindung zwischen den Toten und Rene Laurion hindeuten konnten. Die restlichen saßen vor den Computern, schrieben Berichte und gaben die neuen Informationen ein.
     
    Mit gesenktem Kopf lehnte Adamsberg an der Wand seines Büros, unweit des Fensters, so daß er durch die neuen Gitterstäbe sehen konnte, wie das Leben auf dem Bürgersteig unaufhörlich vorbeiflutete, und er versuchte, die inzwischen sehr schwer gewordene Masse an Informationen über die Morde und weitere diesbezügliche Details zu ordnen. Diese Masse schien ihm das Hirn eines einzelnen Menschen zu sprengen, jedenfalls seins, er meinte, ihre Umrisse schon nicht mehr überschauen zu können, von ihr erdrückt zu werden. Im Wust der ›Speziellen‹, der kleinen Affären an der Place Edgar-Quinet, des Vorstrafenregisters von Le Guern und Ducouèdic, der Lage der markierten Gebäude, der Identität der Opfer, ihrer Nachbarn, ihrer Verwandten, im Wust von Kohle, Flöhen, Briefumschlägen, Laboranalysen, der Anrufe des Gerichtsmediziners, der Wesensmerkmale des Mörders übersah er die Gesamtheit der Möglichkeiten nicht mehr, verlor er sich dann. Zum erstenmal hatte er den Eindruck, daß eher Danglard mit seinem Computer dieser Sache Herr werden würde als er, dem der Sturm um die Nase wehte.
    Zwei neue Opfer in einer Nacht, zwei Männer auf einen Schlag. Da die Bullen ihre Türen bewachten, hatte der Mörder sie einfach nach draußen gelockt, um sie umzubringen, und das Hindernis so auf ebenso schlichte Weise umgangen wie die Deutschen, als sie die unüberwindliche Maginotlinie mit Flugzeugen überquerten, während die Franzosen die Straßen blockierten. Die beiden Brigadiere, die vor der Wohnung von Jean Viard, dem Toten von der Rue de Rottembourg, Wache standen, hatten ihn um zwanzig Uhr dreißig die Wohnung verlassen sehen. Man konnte einen Menschen doch wohl nicht hindern, zu einer Verabredung zu gehen, oder? Vor allem, da besagter Viard sich nicht eine Sekunde lang von ›diesem verdammten Vieren-Schwachsinn‹ hatte beeindrucken lassen, wie er den wachhabenden Polizisten erklärt hatte. Der andere Mann, François Clerc, hatte das Haus um zehn Uhr verlassen, um einen Spaziergang zu machen, wie er erklärt hatte. Die Polizisten vor seiner Tür würden ihn einengen, es sei ein lauer

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