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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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charismatische Ghostwriterin keine schlafenden Hunde wecken.«
    »Wie sieht es mit der Theorie aus, dass jemand beabsichtigte, Larissa auszurauben?«, fragte Nero.
    »Machen Sie sich lustig über mich? Denken Sie an die Brutalität, mit der Mr. X auf Larissa losging. Da hat ein Hieb gereicht.«
    Nero seufzte. Ihm war selber klar, wie unlogisch die Überfallversion erschien. Larissa musste ihren Angreifer gekannt haben. Sie hatte ihn hereingebeten und Kea gegenüber durchblicken lassen, dass sie sich mit ihrem Gast in Ruhe unterhalten wollte. Außerdem war nichts gestohlen, kein Zimmer durchwühlt worden.
    »Wie sieht es aus mit Frau Laverdes Spaziergang im Schlosspark?«, fragte Martha Gelbach. »Hat der Täter gewusst, dass da noch jemand ist? Hat er sie gesucht?«
    Nero lief es kalt den Rücken hinunter. Er straffte die Schultern und sagte: »Ich habe darüber nachgedacht.«
    »Und wie ist das Ergebnis?«
    »Der Täter«, begann Nero langsam, denn er mochte keinerlei Frage-Antwort-Spielchen, die ihn an Schule und Noten erinnerten, »wusste entweder nicht, dass Kea im Schloss war. Vielleicht hat Larissa nicht erwähnt, dass sie in den Speiseraum zurückgeht, um Kea für den Abend zu entlassen. Vielleicht sagte sie, sie würde eine Kerze ausblasen. Oder er hatte nach der Tat, und nachdem er den Leuchter entsorgt hatte, einfach keine Zeit oder keine Nerven mehr, noch mal zurück ins Schloss zu gehen.«
    »Hm.«
    »Hat der Täter sein Opfer für tot gehalten?«
    »Anzunehmen. Bei den Verletzungen … ein Wunder, dass sie noch einmal zu sich gekommen ist.«
    »Das heißt, er kam, um zu töten.«
    »Ich bin mir sicher«, erwiderte Martha Gelbach, »dass er in jenem Augenblick, als er den Leuchter auf den Kopf der Gräfin schlug, eine hundertprozentige Tötungsabsicht verfolgte, wenn ich mal unseren Jargon bemühen darf. Oder es geschah im Affekt. Plötzlicher Hass oder rasender Zorn. So etwas soll es geben.«
    Nero warf einen Blick auf die Uhr und trat fester aufs Gaspedal.
    »Wir bleiben in Kontakt«, sagte er.
    »Unbedingt.«

27
    Als Neros Volvo die Auffahrt hinunterrollte und außer Sicht geriet, kam mir der Gedanke, die Welt sei eine Intrige, indem sie mir den Mann nahm, der mir die Sicherheit gab, die ich brauchte, um funktionieren zu können. So früh am Morgen hing Dunst zwischen den Bäumen, es war noch dunkel. In der kühlen Luft piepten unmotiviert ein paar Vögel.
    Menschen wirklich nahezukommen oder mit ihnen irgendetwas Gemeinsames zu erschaffen, gelang mir nur selten. Es war, als streifte ich andere nur, um mich wieder zu entfernen. Eine Ausnahme bildete Juliane, der ich vertraute. Und jetzt war da Nero.
    Gewiss, wir hatten manchmal etwas zusammen unternommen, aber unverbindliche Dinge, Zeitvertreibe wie Opernbesuche. Nichts, wobei man Verständigung erreichte. Es war mir zuweilen vorgekommen, als zögen wir beide nach einem schönen, entspannten Samstagabend von dannen, und ich spürte, wie Nero den Kopf über mich schüttelte, sobald ich außer Sicht geriet. Ich hatte nie bei ihm übernachtet. Schließlich hielt ich für solche Fälle mein WG -Zimmer in Schwabing. Um einen Fuß in der Großstadt zu haben. Aber nun hatten die Vorzeichen eine andere Tonart bestimmt, und Nero fehlte mir so, dass mir im Morgennebel angesichts der düsteren Schlossfassade die Tränen kamen.
    Weil ich nicht mehr einschlafen konnte, braute ich mir meine Morgendroge, hockte mich auf das Bett, das noch nach dem Mann roch, den ich vorhin zum Abschied geküsst hatte, aktivierte mein W-LAN und klickte mich zum deutschen Telefonverzeichnis weiter. Ein paar Minuten später blinkten vor mir auf dem Bildschirm die Telefonnummer und Adresse einer Kendra White-Höfner. Der Doppelname hatte mich gerettet, andernfalls hätte ich sie nicht so leicht aufgetrieben.
    Ich schickte Martha Gelbach eine SMS , dass ich auf dem Weg nach Hause sei, duschte und packte meine Sachen. Als ich kurz vor halb acht meine Schultertasche mitsamt Laptop und meinen Rucksack im Auto verstaute, tauchte Milena auf.
    »Sie wollen fahren?« Sie schlang die Arme um den Oberkörper.
    »Ich möchte nach Hause«, sagte ich. »Es wird Zeit.«
    »Aber … « Sie schien nachzudenken. »Schreiben Sie weiter? Schreiben Sie in meinem Auftrag?«
    Verdammt, darum hatte ich mich nicht gekümmert. Sollte Milena meine Kundin werden, dann musste ich einen Vertrag entwerfen, die Rahmenbedingungen abstecken und einen Vorschuss berechnen. Es hätte den Vorteil, dass meine Kosten gedeckt

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