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Fließendes Land (German Edition)

Fließendes Land (German Edition)

Titel: Fließendes Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Overath
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Abschied genommen habe. Die Äbtissin sah konzentriert auf die Straße. Sie müsse sich aber auch um die Neubelegung der Betten kümmern. Schließlich liefen die Kosten weiter, auch wenn niemand in den Räumen wohne.
    »Gegangen«, dachte sie. Sie fuhr in ein Haus, in dem gegangen wurde. Aber wie die Klosterfrauen eben so seien, die Äbtissin bog von der Schnellstraße ab, wenn es dann ernst werde, dann sagten sie: Ach, noch nicht, nur noch diesen Sommer!
    Nur noch diesen Sommer. Sie sah hinaus, und die Stimme der Äbtissin schien sich wie ein Echo zu entfernen in die Feuchtigkeit. Nur noch diesen, nur noch, nur noch diesen Sommer.
    Der Geruch. Sie folgte dem schwingenden Mantel durch das Stiegenhaus. Gegen einen Geruch konnte man sich nicht wehren, gegen das Atmen. Sie war angekommen.
    Sie stand vor dem Krankenbett auf Rollen. Sie sah auf das Beistellnachttischchen aus Metall mit der ausklappbaren Tischplatte. Sie sah Kabel, die über den Industrieteppich mit dem persischen Muster liefen. Wie das Bett war auch der Ohrenplüschsessel elektrisch zu verstellen. Das Zimmer, es waren zwei kleine, ineinander übergehende Räume in der Dachschräge, zeigte gegen einen Garten. Sie hörte Vögel. Sie wollte ein Fenster öffnen. Aber ein Flügel war fixiert und die zweite Fensterhälfte mit einem dichten Fliegengitter bespannt.
    Das Bad war geräumig und dunkel. Es gab keine Duschkabine, nur einen Abfluß am Boden und in der Wand eine eingelassene Sitzvorrichtung, zum Hochklappen. Das ist nicht schlimm, dachte sie, das ist nur rollstuhlgerecht. An der Wand lehnte ein langer Reinigungsgummi am Stil, mit dem man das Duschwasser Richtung Abfluß über den leicht abgeschrägten Boden zusammenstreichen konnte. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über den dicken Haltelauf neben der Toilette. Für rollstuhlfahrende Hünen, dachte sie. Hinter der Duschstange steckten Einmalüberziehschuhe aus dünnem blauen Plastik. Am Boden stand ein Raumspray, Duftnote »Bergwiese«.
    Nur noch einen, nur noch einen Sommer.
    Bevor sie antworten konnte, stand eine junge Frau in weißen Hosen im Zimmer. Sie trug einen Pferdeschwanz und lächelte sportlich. Ob sie geklingelt habe? Sie habe nicht geklingelt, sagte sie. Aber dann sagte sie schnell: Bitte, die Kabel, die Alarmknöpfe, ob sie das nicht entfernen könne? Der prüfende Blick der jungen Frau traf sie. Sie testet reflexhaft, ob ich das nicht brauche, dachte sie. Bitte, sagte sie. Sie sagte nicht: Ich muß in diesen Räumen schreiben.
    Später nahm sie die Tischdecke fort und die den Tisch schonende Vliesunterdecke. Sie schob den Wohnzimmertisch vor das Fenster. Sie verwahrte den Wäschepuff mit dem Zusatzplumeau im Schrank. Auch die Vase mit den Trockenblumen. Auch die mit lustigen Gesichtern bemalten Steine auf der Fensterbank. Sie sah die verblaßten Photographien in der Nische. Eine alte Frau, ein alter Mann. Und ließ sie hängen. Im Nachttisch fand sie die Hausschuhe der Gegangenen. Sie schloß die kleine Metalltür wieder zu und schob den Nachttisch hinter die Tür neben den Kühlschrank, der leer war und jetzt ansprang. Sie setzte sich auf das Bett. Von der Bettwäsche stieg ein Geruch nach Lagerung auf. Sie sah auf das Fliegengitter. Ich bin, dachte sie, in einer Geschichte, die ich erfinde.
    Draußen hatte die Nacht begonnen. Sie ging durch den Garten, sie roch die feuchte Erde. Sie meinte, Narzissen leuchten zu sehen. Irgendwo hier mußte die Leine fließen und der Hinübersche Garten beginnen. Hinüberscher Garten, dachte sie, das Kloster stand auf dem Dünensand der Leine im Hinüberschen Garten. Sie öffnete das Gatter zur Straße hin. Nun Niemandsland. Nächtliches Grün und Niemandsland. Eine flache Reihenhaussiedlung, die unbewohnt schien, dann eine Hochhaussiedlung, Schluchten von Hochhäusern, Plattenbau. Die Straßen waren menschenleer. Von ferne sah sie das Neon einer Tankstelle. Sie überquerte die Straße. Neben einem Zigarettenautomaten stand ein Automat, an dem man Kondome ziehen konnte. Sie ging in die Tankstelle und fragte nach einer Telephonzelle.
    Sie stand in der Telephonzelle und sah auf die gegenüberliegende Straßenseite. In einem hell erleuchteten Kiosk wurde Alkohol ausgeschenkt. Autos hielten an, fuhren wieder weg. Sie sah Jugendliche in der schmalen Tiefe des schwefelgelben Raums. Aus der Hörmuschel drang immer noch ein Tuten. Sie legte auf. Sie ging hinüber in das Licht. Sie fragte, ob es in der Siedlung ein Internetcafé gebe. Der Mann hinter dem Tresen sah

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