Flinx
Sie war anscheinend unverletzt, einfach von den Strapazen der letzten hektischen Tage erschöpft. »Und dann weißt du ja, dass ich auch noch andere Fähigkeiten besitze.«
»Ah.« Sie nickte ernst.
»Nein, nicht das«, korrigierte er sie. »Du hast vergessen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich Dinge zu beschaffen, ohne gleich dafür zu bezahlen.«
Darüber musste sie lachen. Bei dem krächzenden Geräusch wurde ihm warm ums Herz. Einen Augenblick lang übertönte es die Schreie und das Echo der Zerstörer, die die Luft draußen erfüllten. Die Erde bebte unter seinen Füßen. Plastikbrocken prasselten von der Decke.
»Ja, ja, du hast dich immer gut darauf verstanden, dir das zu verschaffen, was du haben wolltest. Habe ich dir nicht oft gesagt, dass du das nicht sollst? Aber ich glaube, jetzt ist nicht die Zeit, dich zu tadeln.« Sie blickte zu Lauren auf, der die Haltegurte einige Schwierigkeiten bereiteten.
»Und wer«, fragte sie und schob dabei die Brauen in die Höhe, »ist wohl das?«
»Eine Freundin«, beruhigte sie Flinx. »Lauren, ich möchte Ihnen Mutter Mastiff vorstellen.«
»Sehr erfreut, Oma.« Lauren biss die Zähne zusammen und quälte sich weiter mit den Gurten ab. »Diese verfluchten Magnetschnallen!« Sie sah zu Flinx hinüber. »Vielleicht sollten wir sie losschneiden.«
»Das schaffen Sie schon.« Flinx drehte sich um und trabte zur Eingangstür, wobei er sich gerade noch rechtzeitig duckte, um einer Anzahl Dachplatten auszuweichen, die neben ihm zu Boden krachten.
»He, wo zum Teufel gehen Sie hin?« schrie Lauren ihm nach.
»Ich will etwas wissen. Ich weiß immer noch nicht, was das Ganze hier soll. Und verdammt will ich sein, wenn ich hier weggehe, ohne wenigstens zu versuchen, das rauszukriegen!«
»Um dich geht es, Junge!« schrie Mutter Mastiff ihm nach. »Die wollen mich dazu benutzen, dich zu beeinflussen!« Aber er war bereits außer Hörweite.
Mutter Mastiff ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken und starrte besorgt zu der berstenden Decke hoch. »Dieser Junge«, murmelte sie, »der hat mir schon mehr Ärger gemacht als er wert ist.«
Endlich löste sich der letzte Gurt klickend, und Lauren atmete erleichtert auf. Das Ächzen und Krächzen der Decke war ihr ebenso bewusst wie Mutter Mastiff, genauso auch die Masse der Chirurgenkugel, die wie ein Pendel über dem Operationstisch hin- und herschwang.
»Ich bezweifle, dass Sie das wirklich so meinen, gute Frau«, sagte sie, »und Sie sollten aufhören, einen Jungen in ihm zu sehen.« Die zwei Frauen tauschten einen Blick, wobei alte Augen Fragen stellten und junge überzeugend Antwort gaben.
Voll Zuversicht, dass Lauren Mutter Mastiff allein befreien konnte, ließ Flinx nun seinem Zorn, der sich seit Tagen in ihm angestaut hatte, freien Lauf. Und die plötzlich freigesetzte Emotion war so machtvoll, dass Pip erschreckt von der Schulter seines Herrn glitt und ihm besorgt im Flug folgte. Der kleine dreieckige Kopf zuckte hin und her und versuchte wahrzunehmen, was es war, das Flinx Hass ausgelöst hatte.
Die Wut, die in ihm kochte, drohte seiner Kontrolle zu entgleiten. »Damit kommen die nicht durch«, sagte er sich immer wieder. »Die dürfen das einfach nicht!« Er wusste nicht, was er tun würde, wenn er den ihm unbekannten Entführern gegenübertreten würde, er wusste nur, irgend etwas würde er tun! Vor einem Monat hätte er nie daran gedacht, sich mit einem so gefährlichen Feind anzulegen, aber die letzten Wochen hatten viel dazu beigetragen, sein Selbstvertrauen zu stärken.
Die Wut der Herde begann jetzt nachzulassen, wenn auch die Devilopen immer noch nach diesem verwirrenden Etwas suchten, das ihnen solche Unruhe bereitet hatte. Kühe mit ihren Jungen lösten sich als erste aus der Phalanx und zogen sich in den Wald zurück. Schließlich streiften nur noch ein paar Bullen durch das Camp und ließen ihre Enttäuschung und ihre Wut an allem aus, was größer als ein Felsbrocken war. Gelegentlich kam Flinx an den Überresten jener vorbei, denen es nicht rechtzeitig gelungen war, vor den tobenden Devilopen das Heil in der Flucht zu suchen. Meistens war nicht viel mehr als ein roter Schmierer auf dem Boden übrig geblieben.
Er ging auf den Hangar zu, den er und Lauren von ihrem Beobachtungspunkt von dem Hügel aus gesehen hatten. Er war der logische letzte Zufluchtsort. Er brauchte nicht lange, um das Bauwerk zu erreichen. Während er zielbewusst auf den Hangar zustrebte, kam es ihm kein einziges Mal
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