Flirt mit dem Tod
und die Kasse leer räumen – ja, das ist durchaus ein sehr ungewöhnliches Vorgehen.«
Dominics Fäuste zuckten neben ihr. Abgesehen davon blieb er ruhig und stumm sitzen. Also machte sie weiter.
So freundlich es ihr möglich war, lächelte sie Vionello an, immer versucht, diesem Mann nicht zu zeigen, wie sehr er ihr zuwider war. »Sie haben natürlich recht. Rein äußerlich ähnelt das, was ich Ihnen gerade erzählt habe, natürlich vielen Raubüberfällen. Aber die Ihren hatten ein paar Besonderheiten, die sich jetzt wiederholt haben.«
»Wollen Sie mein Alibi prüfen?« Vionello schlug sich auf die gefesselten Schenkel und warf lachend den Kopf zurück. Er schien seinen Auftritt wirklich zu genießen.
Ohne auf die letzte Äußerung einzugehen, zog sie Bilder der vier Opfer aus ihrer Akte und legte sie nebeneinander auf den Tisch. »Kennen Sie eine dieser Personen?«
Sorgfältig und akkurat legte Vionello die Fotos nebeneinander, Kante an Kante. Dann betrachtete er sie lange und ausgiebig, bevor er sie wieder zu einem Haufen zusammenlegte und Elena über den Tisch schob. Als er den Blick hob, waren seine Augen kalt und hart. »Wollen Sie mich verarschen?«, knurrte er. »Ich sitze seit dreißig Jahren im Knast. Die Hälfte von denen war doch noch nicht mal auf der Welt, als die mich einkassiert haben.«
»Haben Sie mit jemandem über Ihre Taten gesprochen?«, fuhr Elena ungerührt fort. Dominics Haltung hatte sich nicht verändert.
»Na klar, Süße. Mit meinem Therapeuten.« Vionello lachte wieder. »Hier drin weiß jeder, was die anderen auf dem Kerbholz haben. Wenn man das nämlich nicht wüsste, würde man hier nicht lange überleben.«
»Wie war das Verhältnis zu dem Mann, mit dem Sie die letzten sieben Jahre die Zelle geteilt haben?«
»Jimmy Parnell?«
»Er wurde erst vor einem Vierteljahr entlassen.«
»Ja. Der saß wegen Raubüberfalls und Körperverletzung. Jetzt ist er wieder draußen, der Glückspilz. Bevor Sie mich fragen, nein, ich habe nichts mehr von ihm gehört, seit er raus ist. Ich gehe auch nicht davon aus, dass ich jemals wieder was von ihm hören werde, außer, er taucht wieder hier drin auf.«
»Haben sie Parnell von den Überfällen erzählt?«
»Na klar. Wir waren wie Brüder.« Wieder dieses abstoßende Lachen.
Dominic bewegte sich neben ihr – endlich. Er öffnete seine verkrampften Fäuste und bewegte die Finger, wie um zu prüfen, ob er sie noch benutzen konnte. Er warf Vionello einen angeekelten Blick zu, dann wandte er sich an Elena. »Lass uns gehen. Das hier macht keinen Sinn.«
Zum ersten Mal schenkte Vionello Dominic seine Aufmerksamkeit. »Stimmt, Detective. Dieses Gespräch hier ist absolut nutzlos. Aber das Püppchen«, er wies mit dem Kinn auf Elena, »ist so heiß. Mit der würde ich gern noch ein paar Minuten verbringen. Kriegt man ja nicht allzu oft zu sehen hier drin.«
Äußerlich völlig ungerührt wandte sich Elena an ihren Partner. »Du hast recht.« Sorgfältig steckte sie die Fotos in den Umschlag zurück und packte ihn in ihre Aktentasche. Sie zog Dominics und ihre Visitenkarte heraus und legte sie vor Vionello auf den Tisch. Auf keinen Fall würde sie diesen widerlichen Mann anfassen. »Wenn Sie uns noch etwas mitteilen wollen, rufen Sie an.« Sie stand auf und klopfte an die Tür, damit der Wärter sie hinausließ.
Ein Keuchen hinter ihr ließ sie herumfahren. Vionello war aufgesprungen, in der gefesselten Hand hielt er eine der Visitenkarten und starrte Dominic an. »Sie sind Dominic Coleman?« Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Insbesondere, weil Dominics Vorname nicht auf der Visitenkarte stand.
Dominic antwortete nicht. Die Männer starrten sich stumm an.
Und dann konnte Elena es sehen. In Vionellos Augen trat so etwas wie Erkenntnis. Was hatte das zu bedeuten? Bevor sie irgendetwas sagen konnte, öffnete der Wärter die Tür.
»Lass uns von diesem Abschaum verschwinden«, knurrte Dominic und drängte sich an ihr vorbei.
Sie folgte ihm, langsamer, und warf noch einen Blick zurück. Vionellos Blick folgte ihnen mit einem Ausdruck, der sich nicht deuten ließ.
Elena eilte Dominic hinterher und wartete, bis sie ihre Dienstwaffen und ihre Mobiltelefone, die sie im Gefängnis nicht tragen durften, wieder ausgehändigt bekamen. Sie wartete, bis sie durch das Labyrinth aus Schleusen und Türen wieder aus dem Gebäude gelangten, doch sobald sich das Tor hinter ihnen schloss, fasste sie Dominic am Arm und drehte ihn zu sich.
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