Flirtverdacht Roman
Avenue. Von hier oben wirkte die Welt tatsächlich irgendwie geordnet.
Aber ich wusste, dass der Schein trog.
Zoë hatte Recht. Ich war zu weit gegangen. Diesmal hatte ich eine Grenze überschritten. Ich hatte mich von einer Zwölfjährigen überreden lassen, ihren Vater zu testen. Und nur, weil ich mir selbst beweisen musste, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dass es richtig gewesen war, mich für meinen Job und gegen Jamie zu entscheiden.
Gott, konnte man wirklich tiefer sinken?
Das Summen der Gegensprechanlage unterbrach meine Gedanken.
»Ja«, erwiderte ich, wobei ich den Kopf kaum Richtung Lautsprecher wandte.
Hadleys ratlose Stimme ertönte: »Äh, der neue Mitarbeiter ist hier.«
Ich starrte weiter aus dem Fenster, während ich ausdruckslos fragte: »Was für ein neuer Mitarbeiter?«
Darauf folgte etwas, das wie ein Handgemenge klang, und eine mir vertraute Stimme befahl: »Geben Sie mir den Hörer!« Dann konnte ich deutlich verstehen: »Hier ist John! Ich muss dich sprechen. Es ist sehr wichtig.«
Wieder wurde offenbar um den Hörer gekämpft, richtig mit Grunzen und Zischen, und dann war Hadley erneut am Apparat. »Entschuldigung. Er behauptet, Sie hätten ihn letzte Woche angestellt. Soll ich ihn reinschicken?«
Mein Kopf sank wieder gegen die Stuhllehne. »Ja. Von mir aus.«
John kam wenige Sekunden später in mein Büro gestapft, entdeckte mich am Schreibtisch und marschierte mit fest entschlossener Miene direkt auf mich zu. »Du«, verkündete er drohend und reckte den Finger gegen mich. »Du und ich, wir müssen uns unterhalten.«
Ich drehte mich nicht einmal um. »Nein, müssen wir nicht.«
»Wieso gehst du nicht ans Telefon? Und wieso rufst du nicht zurück?«
Ohne den Kopf zu bewegen, sah ich in Richtung meiner Tasche. Plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich mein Handy gestern vor Alice Garretts Haus ausgeschaltet hatte. »Ach ja«, murmelte ich benommen. »Ich hab vergessen, es wieder einzuschalten.«
John seufzte theatralisch. »Nicht gut. Ich habe nämlich versucht, dich zu erreichen!«
Als ich nicht reagierte, kam er zu meinem Stuhl und drehte ihn zu sich um. Dann beugte er sich zu mir herunter. »Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze, aber du hast mir keine Wahl gelassen. Duhast ein echtes Problem.«
Ich schloss die Augen. »Ich weiß.«
Er legte mir die Hände auf die Schultern und schüttelte mich. »Nein, ich meine ein ernstes Problem.«
Ich schob ihn beiseite und stand auf, um ans andere Ende des Zimmers zu gehen. »John, ich weiß«, knurrte ich. »Ich bin ein schrecklicher Mensch. Ich hätte Zoës Freund nicht verpfeifen sollen. Ich hätte Jamie nicht betrügen sollen. Ich hätte das alles nicht machen sollen. Zufrieden? Was willst du von mir?«
Er runzelte die Stirn und sah mich erstaunt an. »Wovon redest du da?«
Ich seufzte. »Wovon redest du denn?«
»Ich rede von deiner Mitarbeiterin. Der süßen Blonden.«
Ich riss den Kopf herum und starrte ihn an. »Katie?«
»Genau. Katie.«
»Was ist denn mit ihr?«
John seufzte und zog eine Aktenmappe aus der grün-schwarzen Botentasche, die er über der Brust trug. Er ließ die Mappe auf meinen Schreibtisch fallen und schlug sie auf. Von der anderen Seite des Zimmers konnte ich etwas erkennen, das wie ein Stapel Schwarz-Weiß-Fotos im Format 20 × 30 aussah. Wie sie Privatdetektive machen, um zu beweisen, dass jemand mit der Mafia unter einer Decke steckt. Ich blinzelte die Fotos an und versuchte zu erkennen, was sie zeigten.
»Was ist das?«, fragte ich ärgerlich, weil mir Johns Spielchen wirklich auf die Nerven gingen.
»Das sind Bilder von Katie im Chateau Marmont«, erklärte er nüchtern.
Ich kam etwas näher. Die Fotos waren jetzt genauer zu erkennen. »Und was macht sie da?«, fragte ich argwöhnisch.
John behielt mich aufmerksam im Auge, als würde er damit rechnen, dass ich wieder das Bewusstsein verlieren könnte. »Sie verlässt gerade Dean Stantons Hotelzimmer.«
29
Verräter unter uns
Ich stand eine ganze Minute lang regungslos da, während meine Augen versuchten, alles zu erfassen, was sie wahr nahmen, und mein Gehirn das alles verzweifelt verarbeiten wollte. Beides schien nicht zu klappen. Ich starrte auf das Schwarz-Weiß-Foto zuoberst auf dem Stapel vor mir. Ich hatte noch nicht gewagt, es zu berühren.
So sehr ich auch nach einer anderen Erklärung für das suchte, was dort abgebildet war, mein Verstand kam immer wieder zum selben Schluss. Zum einzig möglichen
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