Flirtverdacht Roman
es still, während ich fuhr. Kein Radio. Keine Handygespräche. Gar nichts. Die Straßen waren wie ausgestorben. Und die Stille der einsamen Nacht machte die ungewöhnliche Ruhe in meinem Auto noch unheimlicher. Als würde die Welt um mich herum für einen Moment innehalten, um diesen seltenen Zustand zur Kenntnis zu nehmen.
Jennifer Hunter, die durch die Nacht fuhr, um mit ihrem ganz fremd gewordenen Vater über ihr gebrochenes Herz zu reden.
So etwas gab es wirklich nicht alle Tage.
Doch mein Dad wusste nun einmal, wie es war, geliebte Menschen zu hintergehen, Beziehungen zu vergeigen, seine Taten zu bereuen. Er war wirklich der einzige Mensch, der in diesem Moment infrage kam.
Denn was wussten Sophie oder Zoë oder auch John schon von solchen Dingen? Gar nichts. Also konnten sie mir auch nicht helfen. Weil sie nicht einmal ansatzweise verstehen konnten, wie ich mich jetzt fühlte.
Meine Probleme waren einfach eine Nummer zu groß für sie.
Ich fuhr über jede rote Ampel, begegnete unterwegs nur wenigen fahrenden Autos und bog schließlich rechts auf die Second Avenue, wo ich am Valet-Service des Hotels hielt.
Das Huntley war schon immer eins meiner Lieblingshotels in Santa Monica gewesen. Da es zwei Häuserreihen vom Meer entfernt liegt, ist es ein Geheimtipp. Die meisten Leute, die nach L.A. kommen, wollen ja unbedingt direkt an den Strand, zum Beispiel ins Loews, ins Shutters oder ins Casa del Mar, daher wirkt das Huntley ohne diese Strandtouristen immer etwas vornehmer. Exklusiver.
Ich reichte dem Parkwächter meine Schlüssel und ging in die elegante, moderne Lobby, wo ich mich nach einem vertrauten Gesicht umsah. Dann entdeckte ich meinen Vater, der auf einem sichtlich unbequemen, wie eine ausgehöhlte Pilzkappe geformten Ledersessel mehr lag als saß.
Mühsam stemmte er sich daraus hoch und kam auf mich zu.
Als wir einander gegenüberstanden, spürte ich, dass er nicht genau wusste, wie er mich begrüßen sollte. Dieses Treffen war eine absolute Premiere in der Geschichte unserer Beziehung, und es gab noch kein offizielles Protokoll. Aber ich zögerte nicht. Ich warf mich in seine Arme und vergrub meinen Kopf an seiner Brust. Und sofort schloss mein Dad die Arme um mich und drückte mich an sich.
Ich hatte fest damit gerechnet, dass ich mich unbehaglich fühlen würde, vielleicht sogar fehl am Platz; aber ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich geborgen. Als hätte ich siebzehn Jahre lang nur darauf gewartet, genau das zu tun. Seltsamerweise hatte ich mir immer vorgestellt, dass einem solchen Moment eine Art Aussöhnung zwischen uns vorausgehen würde. Bei der mein Vater sich für alles entschuldigte, was er unserer Familie angetan hatte, und bei seinem Leben schwor, dass er sich geändert hatte und ein besserer Mensch geworden war.
Doch jetzt, da dieser Augenblick gekommen war, wurde mir klar, dass nicht er sich verändert hatte. Sondern ich. Die ganze Zeit über hatte ich befürchtet, Jamie könne genau wie mein Vater sein. Doch in Wirklichkeit war ich es gewesen, die gelogen hatte. Ich hatte mein Versprechen gebrochen.
Ich war das Ebenbild.
Und deshalb wusste ich, dass mein Vater der einzige Mensch in dieser Stadt war, der mir jetzt keine Vorwürfe machen würde.
Die Tränen begannen zu laufen und sickerten in das schlichte graue T-Shirt, das mein Vater trug. Er küsste mich sanft auf den Scheitel. »Sch-sch«, beruhigte er mich. »Ist ja gut. Komm, wir setzen uns und reden.«
Er führte mich durch die Lobby in eine leere Lounge. Der Barkeeper war gerade dabei, die nächtliche Abrechnung fertigzustellen, und als er uns sah, seufzte er und ließ die Schultern sinken.
Mein Dad machte eine beruhigende Geste. »Wir setzen uns nur. Wir wollen nichts bestellen.«
Wir fanden eine leere Sitzbank hinten im Raum, und ich ließ mich darauf sinken, während mein Vater von der Bar einen Stapel Papierservietten holte. Eine davon reichte er mir, und ich wischte mir die Augen. »Danke«, schniefte ich.
Während er darauf wartete, dass ich etwas sagte, blieb sein Blick auf mein Gesicht geheftet. Als wagte er nicht zu zwinkern, weil er befürchtete, etwas zu verpassen.
»Es ist wegen Jamie«, brachte ich schließlich hervor.
Mein Dad lachte leise auf. »Das hatte ich mir schon gedacht.« Dann sah er mich mitfühlend an. »Hat er dich betrogen?«
Ich senkte den Kopf und schüttelte ihn. Ich brachte es nicht über mich, meinem Vater in die Augen zu sehen. »Ich habe ihn betrogen«, flüsterte ich.
Mein Dad
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