Flirtverdacht Roman
habe in einigen Tagen wieder einen Termin mit einem amerikanischen Unternehmen, und ich könnte Ihre Hilfe gut gebrauchen. Ich zahle ordentlich. Einen gewissen Prozentsatz meiner Provision.« Er sah sich in der Bar um. »Glauben Sie mir, deutlich mehr, als Sie hier verdienen.«
Ich ließ mich mit ungläubiger Miene gegen die Theke sinken. »Sie wollen mich wirklich dafür bezahlen, nur damit ich Ihnen sage, ob jemand lügt?«
Jetzt war es an ihm, die Schultern zu zucken. »So ungefähr.«
Ich nickte langsam, während ich alles verdaute.
Er bemerkte, dass ich zögerte. «Wissen Sie was? Sie haben ja meine Karte. Lassen Sie sich Zeit. Denken Sie in Ruhe darüber nach, und melden Sie sich dann.«
Und mit einem Lächeln verschwand er durch die Tür, während ich sprachlos stehen blieb und mich fragte, was zum Teufel gerade geschehen war.
Ich lehnte an der Bar, starrte ins Leere und versuchte, das Gespräch, das gerade stattgefunden hatte, zu verarbeiten. Ein wildfremder Mensch hatte mir einen Job angeboten. Einfach so. Und ich musste zugeben, dass es ein sehr verlockendes Angebot war. Eine Gelegenheit, meinen sechsten Sinn für Männer einzusetzen, ohne unweigerlich in einem Hotelzimmer zu landen? Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es solche Jobs überhaupt gab.
Doch andererseits hatte ich auch nicht geahnt, dass es Treuetesterinnen gab, bis ich selbst eine geworden war.
Von daher passte es wohl ganz gut.
Und obwohl mir die weitreichenden Folgen, die sich aus Alain Dumonts Angebot noch ergeben sollten, erst viel später klarwerden würden, hatte ich das Gefühl, dass sich etwas ändern würde.
Dabei war es im Nachhinein eigentlich ziemlich offensichtlich.
Ich hatte meine neue Berufung gefunden.
Genauer gesagt, sie hatte mich gefunden.
Epilog
Neue Anfänge
Drei Monate später …
Ich trete auf den Balkon meiner neuen Zweizimmerwohnung im Quartier Latin in Paris. Der Märzmorgen ist grau und etwas düster, doch mittlerweile liebe ich das typische Pariser Wetter. Die regnerischen Vormittage und düsteren Nachmittage gehören einfach zu dieser Stadt. Und ich habe mir sagen lassen, dass die Monate Mai und Juni für den langen Winter voll und ganz entschädigen.
Ich gieße mir in der Küche eine Tasse Tee ein und schlürfe langsam, während ich mich vor meinen Laptop setze und meine morgendlichen E-Mails durchscrolle. Insgesamt fünf. Drei private und zwei berufliche.
Zweifellos weitere Anfragen nach meinen Diensten.
Seit ich vor drei Monaten angefangen habe, für Alain Dumont zu arbeiten, hat sich meine neue Karriere erstaunlich entwickelt. Zuerst saß ich bei den Meetings nur mit dabei und ließ ihn unauffällig wissen, wann die andere Partei nicht ganz aufrichtig war. Doch dann kam ich allmählich hinter die Geheimnisse der Verhandlungsführung und konnte selbst ein paar Gespräche übernehmen.
Als Alain sich davon überzeugt hatte, dass ich wirklich einen sechsten Sinn für lügnerische Männer besaß, empfahl er mich seinen Freunden weiter. Nicht nur anderen Immobilienmaklern, sondern auch Vertriebsleitern, Marketingleuten, Beratern, kleineren Unternehmen, im Prinzip eigentlich jedem, der mit Amerikanern Geschäfte machte und den Wettbewerbsvorteil suchte, den ich offenbar bieten konnte.
Wer hätte geahnt, dass freiberufliche Verhandlungspartnerinnen, die amerikanische Männer durchschauen können, auf dem europäischen Markt so gefragt sind? Fast genauso gefragt wie Treuetesterinnen in den Staaten.
Nach nur zwei Monaten war mein Einkommen so regelmäßig, dass ich gut davon leben konnte, und ich gab meinen Job in der Bar auf und mietete mir eine eigene Wohnung im vierten Arrondissement. Es war zwar nett, mit meinem Vater zusammenzuleben, aber ich genoss es auch, wieder meine eigenen vier Wände zu haben. Und da meine Eigentumswohnung in Brentwood mittlerweile an ein nettes jungvermähltes Paar vermietet war, das sein erstes Kind erwartete, war es für mich schon eine etwas längerfristige Entscheidung, als ich den Vertrag für mein neues Heim in Paris unterzeichnete.
Ich lese und beantworte zuerst die privaten E-Mails in meinem Posteingang, weil sie mir wichtiger sind. In den letzten Monaten habe ich in Sachen Prioritäten einiges dazugelernt. Freunde und Familie stehen an erster Stelle. Alles andere kann warten.
Die erste Mail ist von Sophie. Ich klicke sie an und überfliege den Text, obwohl ich schon genau weiß, worum es gehen wird. Seit ein paar Monaten plant sie mit Zoë und
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