Flirtverdacht Roman
aus zahlreichen Details zusammen. Aus all diesen Teilen entstand das sorgsam gestaltete Bild von mir, wie ich es meinen Mitarbeitern und Auftraggebern präsentieren wollte.
Heute jedoch sah ich nur den dicken, fetten, funkelnden Diamanten an meinem Finger.
Er war unübersehbar wie ein Leuchtsignal, zog sämtliche Blicke in seinem Umfeld auf sich. Es war, als wäre ein Spot direkt auf meinen Ringfinger gerichtet.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich das Büro betrat, während mir mein strahlendes, glitzerndes neues Accessoire den Weg leuchtete. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass man es bemerken würde. Nein, nicht nur bemerken. Man würde es bewundern , bestaunen, feiern, darüber tuscheln und vor allem … dazu Fragen stellen.
Denn bis heute war ich ein Geheimnis gewesen. Mein Leben außerhalb des Büros hatte gar nicht existiert. Immer, wenn ich durch diese Glastür schritt, ließ ich Jennifer Hunter weit hinter mir. Und bis sechs Uhr abends war ich nur unter dem Namen »Ashlyn« bekannt. Eine Frau, die, soweit bekannt war, weder Verabredungen noch Aussichten, weder Freunde noch eine Familie hatte.
Ich starrte durch den Spiegel auf den Ring an meinem Finger, bis mir von seinem strahlenden Widerschein die Augen tränten.
Dieser Ring macht einen anderen Menschen aus mir.
Der Gedanke war so schnell gekommen, dass ich nicht bestimmen konnte, wie er entstanden war. Aber das spielte eigentlich auch gar keine Rolle. Kaum war er da, wusste ich, dass es stimmte. Der Ring machte wirklich einen anderen Menschen aus mir. Und zwar nicht, weil er mich veränderte, nur weil ich ihn am Finger hatte; nein, sobald der Blick darauf fiel, würde man mich ganz anders wahrnehmen .
Ich dachte an meinen heutigen Termin mit Camilla Klein, der Frau des Immobilienmaklers, den Teresa letzte Woche getestet hatte. Sie kam um elf. Wie würde sie reagieren, wenn sie diesen Ring an meinem Finger sah? Würde sie ihn unauffällig beäugen und versuchen, ihn zu ignorieren, während sie zuhörte, wie ich das Testergebnis zu ihrem Mann präsentierte? Würde sie es mir übelnehmen, dass ich ihn trug, während ich ihr die schlimmste Nachricht ihres Lebens überbrachte?
Ich an ihrer Stelle würde es tun.
Denn schließlich weiß jeder, dass ein Diamantring am Ringfinger nicht einfach nur ein Diamantring ist. Sondern ein hoffnungsvolles Versprechen. Oder, in meinem Fall, eine klares Statement. Mit dem ich der Welt deutlich machte, dass ich nicht die Absicht hatte, das Schicksal der Mehrheit meiner Auftraggeberinnen zu teilen.
Auch wenn ich die Aufträge nicht mehr persönlich ausführte, empfand ich es irgendwie als Interessenkonflikt, als verheiratete oder zumindest verlobte Frau mein Geld mit Treuetests zu verdienen. Vermutlich gehört meine Branche zu den wenigen, in der Singles mehr Vertrauen genießen.
Und mit einer raschen, geschmeidigen Bewegung streifte ich mir den Ring vom Finger, ließ ihn in einem Innenfach meiner Aktentasche verschwinden und klappte den Deckel zu, so dass mein neues Ich sicher hinter einer Wand aus teurem italienischen Leder verborgen blieb.
6
Princess-Schliff in seltsamer Umgebung
»Na dann, bringen wir’s hinter uns«, verkündete Zoë später am Abend, als sie durch meine Wohnungstür schritt. »Her mit den Klebestiften und dem Glitzer.«
Sophie folgte ihr auf dem Fuß, beladen mit drei großen Einkaufstüten voller Utensilien. Ihr lautes Seufzen zeigte, dass sie mit Zoës Sarkasmus nichts anfangen konnte. »Zum letzten Mal, Zoë, ich habe keinen Glitzer. Schließlich bereiten wir meine Hochzeit vor, nicht meinen sechzehnten Geburtstag!«
»Wie du meinst.« Zoë stiefelte ins Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. »Wo ist die Pizza?«
»Die habe ich vor ungefähr zwanzig Minuten bestellt, sollte also bald kommen«, erwiderte ich und spähte neugierig hinter Sophie in den Flur. »Wo ist denn John?«
Zoë verdrehte die Augen. »Er ist mit seinem neuen Lover unterwegs. Aber er will später noch vorbeikommen.«
Ich unterdrückte ein ärgerliches Schnaufen. Schon den ganzen Tag hatte ich es kaum abwarten können, meinen Freunden von meiner Verlobung zu berichten. Während zweier schwieriger, deprimierender Abschlussgespräche. Erst hatte sich Camille Klein zehn Minuten lang bei mir ausgeweint, weil sie erfahren musste, dass ihr Mann Teresa in einem der von ihm gemakelten Häuser in Versuchung geführt hatte, und dann hatte Neal Carter mit der Faust gegen die Wand geschlagen, als ich ihm
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