Flirtverdacht Roman
lag sich in den Armen, klatschte sich ab und johlte albern. Ich blieb kurz stehen und sah zu, wie die ganze Gruppe den Atem anhielt, während ein Spieler auf der anderen Seite auf ein Paar Würfel pustete und sie dann über den Tisch warf.
Wieder hallten Begeisterungsstürme von den Wänden wider, und das ganze Spektakel brachte mich fast zum Lachen. Zumindest so lange, bis mein Blick auf einen Mann in blauem Polohemd und Khakihose fiel, der drei Felder von der Mitte des Tisches entfernt stand. Auf einen Schlag wich jede Heiterkeit aus meinem Gesicht.
Ich hatte erwartet, dass ich Schwierigkeiten haben würde, ihn wiederzuerkennen. Ich hatte angenommen, das verblasste Foto in meinem Kopf könnte mich zweifeln lassen. Aber jede Faser meines Körpers sagte mir, dass ich Benjamin Connors vor mir sah.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete ihn unauffällig aus einigen Metern Entfernung. Er war viel zu sehr in die Geschehnisse auf dem Tisch vertieft, um mich wahrzunehmen.
Kaum hatte ich ihn entdeckt, kamen meine alten Instinkte wieder in Gang. Mein sechster Sinn in Hinblick auf Männer schien genau zu erfassen, was los war, und schaltete sich ein.
Darcie Connors hatte mir verraten, dass Benjamin im Juli dreißig geworden war und dass sie vor fünf Jahren geheiratet hatten. Sie hatte mir erzählt, wie sehr sie sich bemüht hatten, ein Kind zu bekommen, und dass sie sich schließlich für eine Adoption entschieden hatten. Sie hatte mir sogar anvertraut, dass sie schon seit dem College ein Paar waren.
Doch das waren nur Fakten, Zahlen, Daten und Ereignisse. Es gab noch so viel anderes, das sie mir nicht erzählt hatte. Nicht, weil sie es nicht wollte, sondern weil sie es nicht konnte. Weil sie selbst nichts davon wusste.
Ich jedoch durchschaute alles sofort. Fast wie durch Zauberei.
Benjamin Connors hatte einst das perfekte Bilderbuchleben geführt. Mit vierundzwanzig Jahren hatte er sich bereitwillig darauf eingelassen, ohne auch nur zu ahnen, dass er es einmal bereuen könnte. Die Hochzeit folgte ein Jahr später, dazu die monatliche Ratenzahlung für das Haus, ein Grill im Garten und die Hoffnung auf Nachwuchs.
So sah das Leben aus. Und das war für ihn in Ordnung. Schließlich waren seine beiden Brüder, die vor ihm sesshaft geworden waren, sehr zufrieden damit; da sollte es auch für Benjamin gut genug sein.
Dann wurde er dreißig.
Und irgendetwas änderte sich. Zunächst wusste er nicht einmal selbst, was es war. Ein Gefühl. Ein ständiges Summen im Hintergrund, das erträglich, aber nicht zu überhören war. In den nächsten Wochen wurde das Summen allmählich lauter, so dass er sich schließlich kaum noch konzentrieren konnte, weder bei der Arbeit noch beim Fernsehen, nicht einmal beim Sex. Und das Gerede von Babys und Adoption und dem richtigen Bettchen für das Kinderzimmer machte alles nur noch schlimmer.
Oft ergriff ihn mitten in der Nacht Panik, so dass er mit Schweißperlen auf der Stirn heftig atmend hochschreckte. Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war. Er überlegte, ob er vielleicht mal zum Arzt gehen sollte. Oder sogar zu einem Psychiater.
Bis er eines Nachts wieder einmal in einem Angstzustand aufwachte, nach Atem rang und hinüber zu der Frau sah, die neben ihm schlief, zu der einzigen Frau, die er je geliebt hatte. Und da wurde ihm klar, was dieses Summen war. Es war eine Frage. Und sie verlangte nach einer Antwort:
Ist es wirklich das, was ich vom Leben erwarte?
Er redete sich ein, dass das Gefühl irgendwann vergehen würde. Er tat es als seltsamen Schritt ins Erwachsenenleben ab, den jeder Mann durchmachen muss, wenn sein drittes Lebensjahrzehnt anbrach.
Und damit lag er richtig.
Er war beileibe nicht der einzige Mann, der nach dem dreißigsten Geburtstag plötzlich das Bedürfnis verspürte, Bestandsaufnahme zu machen. Es gab auf der Welt viele Männer wie Benjamin Connors, die sich zu einem gewissen Zeitpunkt gefragt hatten, ob es nicht noch etwas anderes gab.
Manche dieser Männer beschlossen, es herauszufinden. Andere ließen die Frage einfach auf sich beruhen.
Und jetzt lag es an mir herauszufinden, in welche Kategorie Benjamin Connors fiel.
Ich spähte in meine Handtasche und überprüfte meine Finanzen. Von dem Geld, das ich vor dem Flug nach Cabo abgehoben hatte, waren noch etwa dreihundert Dollar in bar übrig. Hoffentlich würde ich damit so lange im Spiel bleiben, bis mein Urteil feststand.
Ich atmete tief durch und machte einen Schritt nach vorne. Dann
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