Flitterwochen
Clubschloss trifft es allerdings eher – prangt ein gediegenes Messingschild:
Lukecin Golf & Relax Resort.
Relax klingt prima.
»Also echt«, meckert Jan, »du glaubst doch nicht, dass die hier eine öffentliche Toilette haben. Wir Polen sind gastfreundlich, klar, aber diese Schickimicki Bude könnte da eine Ausnahme bilden.«
»Und du findest: Lieber pieschert Oma auf die Rückbank, als dass wir mal nachfragen?«
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, parke ich und helfe Oma aus dem Fond. Jetzt bequemt sich auch Freund Jan aus dem Wagen. Wir gehen gerade gemeinsam die geschwungene Freitreppe hinauf, als sich auch schon die Tür öffnet und ein Mann in karierter Hose und dunkelblauem Blazer mit aufgesticktem goldenem Emblem herauslugt. Erstaunt mustert er erst uns und dann den Trabbi. Dann legt sich seine Stirn in Falten. Jan sagt etwas auf Polnisch. Der Mann macht abwehrende Handbewegungen und sagt auch etwas.
»Was hat er gesagt?«, will ich wissen.
»Nur für Mitglieder …«
»Mensch, Oma muss mal. Das ist ein Notfall. Der wird doch so eine alte Dame nicht vom Hof jagen! Hat der denn kein Benehmen?«
»Natürlich habe ich Benehmen«, antwortet der Karierte indigniert und in einwandfreiem Deutsch. »Wenn Sie mir bitte folgen mögen.«
Er führt Oma und mich durch einen langen Flur, kostbare Perserteppiche schlucken unsere Schritte, und öffnet eine Tür.
»Die Damentoilette«, sagt er knapp und entschwindet.
Toilette ist untertrieben. Überall Marmor, geschliffene Spiegel – und sind die Wasserhähne etwa vergoldet? Vielleicht sollte ich schnell mal einen abschrauben, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Bank später noch zwanzigtausend Schleifen von mir haben will. Wenn ich den Wirtschaftsteil der
Lübecker Nachrichten
richtig interpretiert habe, müsste das bei dem momentanen Goldpreis eine ausgezeichnete Idee sein. Andererseits – ab dem wievielten Verbrechen wird man wohl über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben? Und reicht ein Bankraub plus Geiselnahme plus schwerer Diebstahl wohl aus, um einen eigenen Einspielfilm bei
Aktenzeichen
XY
ungelöst …
zu bekommen?
Oma und ich gehen unseren Geschäften nach und treffen uns an den Waschbecken wieder. Ich gucke in den Spiegel, dann mustere ich Frau Strelow. Kein Wunder, dass der Typ eben so verhalten reagiert hat. Richtig taufrisch sehen wir nicht mehr aus, unsere Klamotten haben ganz schön gelitten. Oma streichelt fast zärtlich über einen der Wasserhähne. Ob sie vielleicht den gleichen Gedanken hat wie ich vorhin? Mittlerweile würde ich davon aber eher abraten, wahrscheinlich sind in dem Schuppen hier sogar die Waschräume videoüberwacht, jedenfalls fühle ich mich irgendwie beobachtet.
Als wir vorsichtig zum Ausgang schleichen, ist niemand mehr zu sehen. Der Butler hat uns offensichtlich vergessen. Kein Wunder: dass wir eine Goldmitgliedschaft im Club beantragen, war schließlich nicht zu erwarten.
»Schnell raus hier«, flüstere ich. Oma nickt. Wir sind fast schon durch die Tür, als der Butler doch noch auftaucht und gemessenen Schrittes auf uns zusteuert. Mist, hat Oma doch was geklaut? Die darf man keinen Moment aus den Augen lassen!
»Moment mal, die Damen!«
Gottergeben bleibe ich stehen.
»Ja, bitte?«
»Ich habe eine Kleinigkeit für Sie. Ihre Mutter sah so erschöpft aus. Ich habe mir erlaubt, ein kleines Lunchpaket mit einigen Erfrischungen für Sie zu richten.«
Er reicht mir eine braune Papiertüte, aus der es verführerisch duftet. Völlig perplex nehme ich sie entgegen und murmele ein verschüchtertes »Danke«, bevor ich Oma schnell aus der Tür schiebe.
Wieder im Auto, gucke ich verstohlen in die Tüte: Zwei Riesensandwiches, die nach frisch gebratenem Speck duften, dazu eine Flasche Mineralwasser, Becher und Servietten. Donnerknispel. Auch Jan guckt neugierig.
»Was ist das denn?«
»Ein Geschenk des Hauses«, kläre ich ihn auf. »Etwas zu essen und zu trinken. Belegte Brote und Wasser. Oma tat ihm leid.«
Jan nickt wichtigtuerisch. »Tja, sag ich ja. Polnische Gastfreundschaft.«
»Komisch, ich dachte, du hättest etwas von Schickimicki-Bude gesagt«, höhne ich – den kleinen Seitenhieb kann ich mir nicht verkneifen.
»Ja? Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Hm, riecht das lecker! Gib mir mal eins von den Broten!«
Ich ziehe die Tüte weg. »Nichts da! Die sind für Oma und mich.«
In jeglicher Hinsicht erleichtert und gestärkt, setzen wir unsere Fahrt fort. Jan hat
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