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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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Überzahl waren, wird im
Domek Kata
geschwoft, bis die Sohlen qualmen. Ob Walzer, Polka oder Foxtrott – die meisten Paare sind nicht von der Tanzfläche zu kriegen. Wenn die Band zwischendurch eine kleine Verschnaufpause braucht, spielt sie eine kurze Melodie, und der Sänger schmettert ein fröhliches »A teraz pójdźmy sobie coś wypić, zapraszam na wódeczkę!« in den Saal, was irgendwie bedeuten muss, dass es wieder an der Zeit ist, einen klitzekleinen Wodka zu trinken. Das lässt sich hier natürlich niemand zweimal sagen. Ich schätze, Wojtek hat irgendwo mehrere Kisten mit dem Zeug deponiert, jedenfalls kommt er selbst vor lauter Nachschenken kaum zum Trinken, und so leert sich Flasche um Flasche.
    Mittlerweile finde ich übrigens, dass das Zeug gar nicht so schlecht schmeckt. Es ist auch völlig überflüssig, es mit Cola oder Red Bull zu mischen. Pur ist Wodka doch am besten. Wo ist eigentlich mein Glas? Ich winke Wojtek zu, und der versteht sofort. Prost! Und noch ein Tanz mit meinem Gemahl – diesmal ein Walzer. Jan ist ein verdammt guter Tänzer. Weil ich erstaunlicherweise nicht mehr hundert Prozent trittsicher bin, zieht er mich bei jeder Drehung ganz fest an sich. Und das fühlt sich verdammt gut an. Ich schaue Jan tief in die Augen. Ob es am Wodka liegt oder an der ausgelassenen Stimmung – ich würde Jan jetzt sehr gern küssen. Kann nicht mal wieder jemand
Gorzko
rufen?
    Aber leider tut mir niemand den Gefallen. Stattdessen erscheint jetzt Onkelchen Bogumił, der auch eine Runde mit der Braut tanzen will. Es zeigt sich schnell, dass Bogumił zwar motiviert bis in die Haarspitzen, aber leider nicht ganz so gut im Training ist. Womöglich hat er auch schon ungefähr so viel Wodka intus wie die Braut. Nach zwei schwungvollen Drehungen trägt es uns jedenfalls so aus der Kurve, dass wir beide sehr unsanft auf dem Allerwertesten landen. Huppila! Elegant geht anders.
    Sofort erscheint Schießhund Karolina neben mir. »Tine, was machst du da?«
    Ich muss kichern. »Wonach sieht’s denn aus?«
    »Ich würde sagen, du wälzt dich mit dem Priester auf der Tanzfläche herum. Du solltest besser Wasser oder Cola trinken, Alkohol verträgst du wohl nicht so gut.«
    Bitte? Frechheit! Das lass ich mir von der blöden Ziege nicht sagen – schon gar nicht auf meiner eigenen Hochzeit! Ich rapple mich auf und winke ihrem Mann zu, der gerade versucht, Oma Gerda abzufüllen.
    »Hallo, Wojtek! Ich brauche noch etwas zu trinken!«
    Sofort ist er zur Stelle, offenbar nimmt er seinen Job wirklich sehr ernst. Ich greife mir vom nächsten Tisch ein leeres Glas, das ich ihm hinhalte, und er füllt es randvoll. Guter Mann! Von Karolina kommt ein beleidigtes Schnaufen, das mich nicht davon abhält, das Glas in einem Zug zu leeren. Na zdrowie!
    Ich mache mich auf die Suche nach Jan, der mittlerweile mit Oma Gerda tanzt. Okay, das will ich mal gelten lassen. Dann suche ich eben wieder Wojtek mit seinem Wodka. Den muss ich nicht lange bitten, sofort ist er zu Stelle und hat diesmal auch ein eigenes Glas zur Hand.
    »Na zdrowie, Tine. Ich freu mich, dass du bist mein Schwagerin! Hat Jan gute Fang gemacht!«
    »Danke, Wojtek! Ich hab aber auch einen guten Fang gemacht.«
    Karolina kommt dazu und zischt etwas auf Polnisch, was bestimmt
Gib der bloß nichts mehr zu trinken
heißt. Dann zerrt sie ihn samt Flasche von mir weg.
    So viel zum Thema »guter Fang«. Vielleicht hätte Wojtek ruhig etwas genauer hinsehen sollen.
    Nach drei oder vierzehn weiteren wilden Tänzen – so ganz genau kann ich nicht mehr mitzählen – steht Magda neben mir.
    »Komm, gleich ist Mitternacht. Zeit für oczepiny.«
    »Ocze … was?«
    »Du kommst unter die Haube. Komm!«
    Sie zieht mich zu zwei Stühlen, die irgendjemand mitten auf die Tanzfläche gestellt hat. Auf dem einen sitzt bereits Jan, der gerade seinen silberfarbenen Schlips lockert. Magda drückt mich auf den Stuhl neben ihm, dann tritt sie hinter mich und macht sich an meinem Schleier zu schaffen.
    »Also, das funktioniert so«, erklärt sie mir gleichzeitig. »Alle unverheirateten Frauen tanzen gleich eine Polonaise um euch herum. Und irgendwann wirfst du den Schleier hinter dich – aber ohne vorher zu gucken! Das Mädchen, das ihn fängt, wird als Nächstes heiraten. Verstanden?«
    Ich nicke langsam. »Ja, schon. Aber sagtest du nicht, mein Schleier ist schon über hundert Jahre alt? Das wär doch irgendwie schade.«
    Magda lacht. »Na, ich habe hier einen zweiten Schleier.

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