Flitterwochen
abgereist, weil es ihr keine Ruhe ließ, dass Tochter und Enkelkind in Stettin ganz ohne ihre Hilfe sind. Also verabschiedet uns nun der Rest der Familie, ich bekomme viele feuchte Küsse und von Karolina immerhin ein freundliches Schulterklopfen.
Oma Gerda drückt mich ganz fest an sich und flüstert mir ins Ohr: »Viel Spaß, Kindchen. Und mach was draus …«
Hä? Wie meint sie das denn?
Jan startet den Motor, und im Rückspiegel sehen wir seine Sippe winken – Tante Małgorzata hat dafür sogar ein blütenweißes Taschentuch gezückt. Wir verlassen Kolberg und zuckeln über die uns bereits bekannte Landstraße gen Misdroy, immer an der Küste lang.
Es ist ein herrlicher Tag – mit einem knallblauen Himmel und strahlendem Sonnenschein. Unterwegs entdecken wir auf den Feldern ganz viele Störche und halten an, damit Jan mit der Kamera, die ihm Leszek mitgegeben hat, ein paar Fotos machen kann. Irgendwie ist es verrückt, aber ich bin tatsächlich ein wenig in Urlaubsstimmung und freue mich auf die freien Tage. Ein bisschen Erholung und Nichtstun haben wir uns nach dem ganzen Chaos echt verdient!
Am frühen Nachmittag trudeln wir in dem beschaulichen Seebad ein. Das
Stella Maris
haben wir schnell gefunden, es liegt direkt an der Promenade.
»Oh, guck mal! Das ist ja wunderschön!«, rufe ich aus. Ich bin ganz aus dem Häuschen. Das Hotel ist nämlich eine alte Barock-Villa mit einem stilechten Türmchen und sieht von außen einfach zauberhaft aus. Wie ein kleines Märchenschloss.
Von innen ist es fast noch hübscher, denke ich, als wir über knarrende alte Holzdielen zum Empfang gehen, wo eine Dame offensichtlich schon auf uns gewartet hat. »Ah, die Hochzeitsreisenden!«, ruft sie nämlich, als sie uns sieht, und lächelt. Jan erledigt schnell die Formalitäten, unsere Pässe will die Empfangsdame gar nicht erst sehen. Wie sich herausstellt, sind die Besitzer des Hotels mit dem Schwager eines Freundes eines entfernten Cousins von Bogumił bekannt, da erübrigt sich so etwas, wie Jan mir versichert.
Dann führt sie uns in den dritten Stock, öffnet eine große Tür und sagt feierlich: »Bitte sehr, die Piasten-Suite!« Sie zeigt uns alles und klärt uns darüber auf, dass Piasten nichts zu essen sind, sondern ein altes polnisches Königsgeschlecht.
Ich stehe mit heruntergeklappter Kinnlade neben ihr und bringe nur so etwas wie einen Quietschlaut heraus. Die Suite hat ihren Namen wirklich verdient. Es gibt ein großes Wohnzimmer mit frei stehenden Holzbalken, einer winzigen Einbauküche und einer bequem anmutenden Sitzecke.
»Die eine Couch kann man auch zu einem zusätzlichen Bett ausklappen«, erklärt die Rezeptionistin. »Aber das werden Sie ja kaum brauchen.« Sie zwinkert uns leicht anzüglich zu, und ich werde schon wieder rot.
Auch im Schlafzimmer gibt es die schönen alten Holzbalken, außerdem stehen dort zwei Sesselchen und ein großes Bett. Vom hellen, freundlichen Badezimmer können wir direkt auf die Ostsee blicken. Toll! Und hinter einer weiteren Tür verbirgt sich der Clou: ein kleines, schnuckeliges Erkerzimmer, ebenfalls mit Meerblick – das Türmchen, das ich draußen schon bewundert habe, gehört zu unserer Suite! Ich muss schon wieder quietschen, so romantisch ist das hier. Also, sollte ich irgendwann noch mal heiraten, wäre das hier der perfekte Ort für meine Flitterwochen!
Auch Jan ist beeindruckt und pfeift anerkennend. Nach dem kleinen Rundgang deutet die Hotelangestellte noch auf den Wohnzimmertisch und sagt, bevor sie sich diskret zurückzieht: »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt – und: zum Wohl!« Auf dem Tischchen thront ein Sektkühler mit Inhalt, daneben stehen ein Korb mit frischen Früchten und ein Teller mit Konfekt. Herrlich, so kann man’s doch aushalten!
Jan denkt offenbar genauso wie ich, denn er grinst ziemlich zufrieden. Mit einem lauten
Plopp
entkorkt er die Flasche, schenkt zwei Gläser voll und reicht mir eines. »So, dann wollen wir mal anstoßen«, sagt er vergnügt. »Also: auf uns, auf ein langes glückliches Leben und auf ein gutes Ende dieser Geschichte!«
Unsere Gläser klirren aneinander, wir trinken einen Schluck, und plötzlich pruste ich den Sekt durch das halbe Zimmer, denn Jan drückt mir unvermutet einen dicken Schmatzer auf die Wange.
»Ach Tine«, seufzt er und lässt sich auf das Sofa plumpsen, »hier haben wir’s echt gut getroffen.«
Ich setze mich neben ihn und nippe an meinem Sekt. »Stimmt, das ist wirklich
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