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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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ich ihn erst mal wach kriegen. Also stupse ich ihn vorsichtig an. Das hat aber nur zur Folge, dass er extrem zufrieden direkt in mein Ohr grunzt. Ich finde, das geht jetzt wirklich zu weit, und schubse ihn mit Schmackes von mir runter. Benommen öffnet er die Augen und stammelt: »Was? Was denn los?«
    Offensichtlich geht es ihm ähnlich wie mir. Verwirrt schaut er sich um, und als er unseren Klamottenhaufen auf dem Boden entdeckt, zieht er hektisch an der verrutschten Decke. Nun ist zwar seine linke Pobacke wieder verhüllt, allerdings liege jetzt ich halb im Freien. Nee, mein Lieber, so haben wir nicht gewettet! Wir kämpfen um die Decke, zerren sie hin und her, bis Jan auf einmal in schallendes Gelächter ausbricht.
    »Was ist denn bitte so komisch?«, raunze ich ihn an.
    »Alles«, kichert Jan. »Einfach alles. Was machen wir hier eigentlich?«
    »Das wollte ich dich auch gerade fragen. Ich weiß es nämlich nicht. Dieser ganze Wodka hat mein Hirn lahmgelegt, ich bin das Zeug ja auch nicht gewohnt …«
    »Ich schon«, grinst Jan. »Aber so richtig weiß ich auch nichts mehr. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass du in der Kneipe vom Stuhl gekippt bist …«
    »Ich bin vom Stuhl gekippt? Oh! Und dann?«
    »Dann hab ich dich, glaube ich, nach Hause getragen.«
    »Und dann?«
    »Keine Ahnung. Dann setzt es bei mir aus.«
    Ich ziehe mir die Decke bis unters Kinn und weiß nicht, ob ich heulen oder auch einfach grinsen soll.
    »Duhu, Jahan?«, beginne ich vorsichtig.
    »Was denn?«
    »Es ist doch nichts passiert, oder? Ich meine, wir haben doch nicht … äh, also, du weißt schon, was ich meine …«
    »Ach, Quatsch, dafür waren wir viel zu betrunken. Mach dir mal keine Sorgen!«
    »Ehrlich?«
    »Klar. Obwohl …«, Jan grinst schon wieder, »wär ja nicht so schlimm. Immerhin sind wir verheiratet. Und du konntest gestern Abend kaum die Finger von mir lassen …«
    Sehr witzig, wirklich sehr witzig! Bevor ich kontern kann, schält sich Mister Unwiderstehlich schnell aus der Decke, greift sich Tante Małgorzatas Nachthemd und knotet es sich um die Hüften. Dann entschwindet er Richtung Bad. Das gibt mir zumindest die Gelegenheit, in meine Sachen zu schlüpfen. Iiihh, wie müffeln die denn? Der Geruch liegt irgendwo zwischen Kneipe und Kloake. Ich brauche dringend was Frisches zum Anziehen und beschließe, mir von Tante Małgorzata ein paar Klamotten zu leihen. Schließlich gehöre ich jetzt zur Familie, da kann sie schlecht nein sagen.
    Das Frühstück nehmen Jan und ich nahezu schweigend ein, bis Bogumił in die Küche platzt, mir vertraulich zuzwinkert und irgendetwas fragt.
    »Onkelchen will wissen, ob du eine schöne Nacht hattest«, übersetzt Jan mit erstaunlich neutralem Gesichtsausdruck.
    Ich werde puterrot und stopfe mir schnell ein Stückchen polnische Wurst in den Mund. Damit entfällt eine Antwort. In diesem Moment kommt Karolina mit einer Reisetasche in die Küche.
    »Ich hab dir hier mal ein paar Sachen von mir zusammengepackt, aber nur geliehen – Wiedersehen macht Freude.«
    »Was für Sachen?«
    »Na, was zum Anziehen. Du hast ja weiter nichts dabei. Und so kannst du doch unmöglich im
Stella Maris
absteigen!«
    Stella Maris?
Ich muss sie angucken wie ein debiles Pferd, denn jetzt sagt sie betont langsam: »
Vil-la Stel-la Ma-ris.
Ihr brecht doch gleich nach Misdroy auf.«
    Genau, Misdroy, das hatte ich glatt verdrängt. Heute geht’s in die Flitterwochen! Jans Familie hat ja zusammengelegt und uns zur Hochzeit Flitterwochen in einem Luxushotel in Misdroy geschenkt. Also eher Flittertage, wir sind nur zwei Nächte in Misdroy. Wie die Zeit mit Jan wohl werden wird? So richtig zu zweit waren wir schließlich noch nie – entweder wir hatten Oma am Hals oder gefühlte 235 polnische Verwandte. Ein bisschen freue ich mich schon, mal mit ihm allein zu sein. Und dann geht es nach Hause. Komisch, bei dem Gedanken freue ich mich irgendwie nicht ganz so sehr.
    Frau Strelow lassen wir während unserer Flittertage in der Obhut von Małgorzata und Leszek. Jan hat seiner Tante eingeschärft, meine Großmutter nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen und sie rundum zu betüddeln. Außerdem fühlt sich Oma hier sauwohl, der Familienanschluss tut ihr offenbar gut.
    Jan und ich sind also einigermaßen beruhigt, als wir nach Misdroy aufbrechen und Małgorzata, Leszek, Karolina, Onkelchen und Gerda uns zum Auto bringen. Magda, meine neue Schwiegermutter, ist schon in aller Herrgottsfrühe

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