Flitterwochen zu dritt
das mein großer Fehler gewesen, hatte Julia gedacht, während sie stundenlang in ihrem Schlafzimmer hin und her lief. Als Ben ihr gesagt hatte, dass er warten wolle, bis sie verheiratet seien, da hätte sie vielleicht schmollen und in Tränen ausbrechen sollen. Sie hätte an seine Männlichkeit appellieren sollen - denn der Himmel wusste, dass er sehr männlich war, und wenn sie je daran gezweifelt hatte, so lag nun der Beweis schlafend in einem Zimmer im anderen Teil des Hauses.
Es hatte schon hinter dem Mount Baker zu dämmern begonnen, als sie schließlich einschlief. Nach dem Stand der Sonne zu schließen, musste es jetzt ungefähr acht Uhr sein. Im Haus war es ruhig, so ruhig, als wäre niemand da. Ben musste frühstücken gegangen sein oder Babyartikel besorgen. Oder er war endgültig gegangen.
Julia verdrängte den Anflug von Panik, den dieser Gedanke in ihr auslöste, und dachte über die nächstliegenden Dinge nach.
Sie musste etwas Anzuziehen finden, bevor sie sich aus diesem Raum wagte, etwas anderes als einen halb durchsichtigen Morgenmantel oder ein verknittertes Hochzeitskleid.
Julia fand ihr restliches Gepäck vor ihrer Tür, ein weiterer Hinweis darauf, dass Ben schon auf und davon war, während sie geschlafen hatte. Sie zog es in ihr Zimmer, packte Wäsche aus, ein Sommerkleid und Sandaletten. Im Bad nebenan gab es Handtücher, Shampoo und viel heißes Wasser. Es brach also nicht die ganze Welt zusammen, wenn das eigene Leben so durcheinander gebracht wurde.
Ben und das Baby waren nirgends zu sehen, als sie nach unten ging. Es war auch kein Kaffee da. Das war kaum verwunderlich, schließlich hatten sie das Haus erst in einem Monat beziehen wollen.
Auch egal. Sie würde seinem Beispiel folgen und auswärts frühstücken. Am Strand gab es einen Coffeeshop neben dem anderen.
Julia kam allerdings nur bis zur Haustür, dann stand sie ihrem Mann gegenüber. Und dem Kind. Obwohl sie gewusst hatte, dass die beiden nun nur noch im Paket zu haben waren, war sie schockiert. Würde sie sich je daran gewöhnen, oder musste sie sich für den Rest ihres Lebens mit diesem plötzlichen Ziehen in ihrem Herzen abfinden?
“He”, sagte Ben und fischte einen Strauß pinkfarbener, knospender Rosen aus einer Tasche an der Rückseite des Kindersitzes, “wohin gehst du so früh am Morgen? Es ist noch nicht einmal halb neun. Die sind übrigens von uns.”
Uns. Bis gestern hatte dieses Wort sie in falsche Sicherheit gewiegt. Sie hatte geglaubt, dass Ben und sie eine magische, unzerstörbare Einheit bildeten, die niemand trennen konnte. Nun hatte das Wort eine dunkle, unheilvolle Bedeutung. Diese Einheit hatte nur Raum für zwei, und plötzlich war sie nur noch eine Außenstehende. Sie hätte Ben gern an der Kehle gepackt und geschrien: “Das einzige Uns sollten du und ich sein.”
Natürlich tat sie es nicht. Sie würdigte die Kosen keines Blickes und sagte: “Ich dachte, es wäre schon viel später. Ich wollte auswärts frühstücken. “
“Nicht nötig. Ich war schon einkaufen.” Er stupste mit dem Knie an die vier Tüten aus dem Supermarkt, die auf der Treppe standen. “Ich dachte, ich brauche so einiges für den Kiemen hier, und weil ich schon einmal dabei war, habe ich für uns auch eingekauft.”
“Vielen Dank.” Julia sah an dem Baby in seinem Kindersitz vorbei. “Ich möchte lieber frühstücken gehen.”
“Du meinst, du möchtest lieber irgendwo sein, wo ich nicht bin.” Die Schärfe in Bens Ton brachte sie dazu, ihn anzusehen.
“Warum sagst du nicht einfach die Wahrheit, Julia, statt sie hinunterzuschlucken?”
“Das hat nichts mit dir zu tun, sondern damit, dass ich seit gestern Nachmittag nichts mehr gegessen und getrunken habe, und in den Stunden davor auch recht wenig zu mir genommen habe. Andere Ereignisse”, erwiderte sie spitz, “waren wichtiger und haben mir erstaunlicherweise den Appetit geraubt.”
“Nun, ich kann nicht alles wieder in Ordnung bringen, was schief gegangen ist, aber hier kann ich Abhilfe leisten. Da drin sind heißer Kaffee, Croissants und Obstsalat. Nimm sie mit raus, und wir essen im Innenhof. Es wird sehr heiß, aber ich habe den Springbrunnen heute früh angestellt und den Sonnenschirm aufgespannt, es sollte dort draußen also halbwegs angenehm sein.”
Seine Versuche, sich normal zu verhalten in einer Situation, die alles andere als normal war, brachten eine Seite in ihr zum Vorschein, die Julia neu und gar nicht angenehm war - ihm sicherlich auch
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