Flitterwochen zu dritt
fest. “Lass mich gehen”, sagte sie.
“Nein. Du musst das nicht tun, Julia.”
Ihre Silhouette hob sich gegen das schwache Licht ab, das vom Fenster her kam. Nackt, grazil, schön. Müde wie er war und trotz seiner Bedenken verspürte er ein vertrautes Verlangen in sich aufsteigen.
“Ich möchte aber”, sagte sie.
Und ich möchte dich, dachte er. Er würde sie immer wollen.
Die Frage war, konnte er sie halten? Vielleicht lag die Antwort auf der Hand. Wenn Julia das Baby akzeptieren könnte, wäre das Schlimmste vorbei. “Okay. Wenn du Hilfe brauchst, ich bin da.”
“Ich komm schon klar”, sagte sie. “Ruh dich aus, Liebling.”
Er war mehr als froh darüber und fiel in die Kissen zurück.
Als sie das Zimmer verließ, schlief er schon fast.
Im Nachtlicht des Kinderzimmers sah sie ein Baby mit wutrotem Gesicht, das mit seinen kleinen Fäusten in die Luft boxte. Julia nahm es aus der Wiege und befühlte vorsichtig seinen kleinen Po. “Das ist ja kein Wunder, dass du so wütend bist”, sagte sie leise. “Du bist total nass und du hast Hunger.”
Irritiert vom Klang einer unbekannten Stimme, hörte das Baby auf zu weinen und sah sie an, mit unerschrockenen Augen in exakt dem gleichen Blau wie Bens.
“Hallo”, sagte sie sanft. “Ich bin Julia, deine … Mommy.”
Dass sie sich getraut hatte, dieses Wort zu sagen, bewirkte nicht ganz das Wunder, das Julia sich erhofft hatte. Aber es war schon nahe dran. Als wäre es endlich nach Hause gekommen, seufzte das Baby tief auf und rieb die Nase an ihrem Hals.
Und zum zweiten Mal in dieser Nacht, aber aus ganz anderen Gründen, fühlte Julia sich, als hätte sie versehentlich einen elektrischen Draht berührt. Das Gefühl dieses blind suchenden kleinen Munds, der gegen ihre Haut stupste, brachte ihre Seele in Aufruhr.
Lieber Gott, dachte sie und blinzelte einige Tränen weg, ist es das, was man meint, wenn man von Mutterinstinkt spricht?
“Einen Moment, mein Süßer”, sagte sie leise und wühlte in der Kommode des Wickeltischs. “Sobald ich finde, was ich brauche, geht’s los.”
Da lagen Unterhemden in Puppengröße, Frotteeschlafanzüge, ein Stapel Wegwerfwindeln und eine verblüffende Menge Zubehör, von Puder bis zu Creme und einer Packung Feuchttücher. Bis sie alles zusammengesucht hatte, war das Baby es leid, weiter an ihrem Hals zu nuckeln, und machte seinem Unmut Luft.
“Pscht, mein Kleiner”, flüsterte sie, gab ihm einen Schnuller und trug ihn dann leise die Treppe hinunter. “Es kann nur besser werden.”
Es wurde schlechter. Die Windel war so zusammengefaltet, dass Julia sie falsch herum anlegte und es erst merkte, als sie versuchte, sie zuzumachen. Frustriert begann sie von vorn, aber als sie ihn sauber hatte, war er schon außer sich.
“Wir brauchen einen Schaukelstuhl”, sagte sie, als sie sich auf einen der Hocker an der Bar setzte und dem Baby die Flasche hinhielt. “Einen von diesen großen alten, mit dicken Kissen und einer hohen Lehne, damit wir es beim Füttern bequem haben. Wir lassen deinen Daddy gleich morgen früh einen kaufen. Und wir können dich nicht ewig ,Kleiner’ nennen.
Wir müssen uns einen besseren Namen für dich einfallen lassen, einen schöneren, der auch noch passt, wenn du erwachsen bist.”
Aber er war es leid, ihrem Gerede zuzuhören, oder vielleicht hielt sie ihn nicht richtig. Warum sonst weigerte er sich, die Flasche zu nehmen, und stieß kleine, gequälte Schreie aus?
Julia legte ihn in ihre andere Armbeuge und versuchte es noch einmal. Sie redete weiter mit ihm, als würde er jedes Wort verstehen. “Du hast schon den besten Daddy der Welt, weißt du, und ich werde versuchen, die beste Mommy zu werden. Auch wenn ich später noch eigene Babys haben werde, verspreche ich dir, dass ich nie zulassen werde, dass du dich einsam oder anders fühlst. Du wirst ihr großer Bruder, und sie werden alle zu dir aufschauen.”
Aber weder ihr beruhigendes Reden noch die Milch taten ihre Wirkung. Er warf den Kopf von einer Seite auf die andere, verspannte sich und weigerte sich, die Flasche zu nehmen, obwohl die Milch die richtige Temperatur hatte.
Vielleicht wollte er ein wenig herumgetragen werden …
“Jetzt weiß ich, was du hast”, sagte Julia, während sie ihn in den Armen wiegte und auf und ab lief. “Es ist einfach zu viel auf dich eingestürmt, zu viele Fremde sind in dein Leben gekommen und wieder gegangen, und du bist verängstigt. Aber jetzt hast du ein Zuhause, mein Süßer, und wir
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