Flitterwochen
viele Menschen heiraten mit sechzig, und er ist so unheimlich nett und so gebildet und Tante Hester auch, und...«
»Ach du lieber Gott, manchmal überlege ich, warum ich dich geheiratet habe. Diese Heiratsvermittelei ist wirklich der Gipfel.«
»So ein Unsinn. Das ist völlig normal. Zwei einsame Menschen, die noch dazu so gut zueinander passen. O Andrew, vielleicht sollte diese Flasche dort liegen. Ich habe das Gefühl, daß...«
An dieser Stelle lachte Andrew, sah aber seine Frau noch immer voll törichter Verliebtheit an. »Eines deiner >Gefühle<. Gut. Dann ist für die beiden ja alles klar. Hör auf, so seelenvoll zu schauen und geh zu Bett. Du hast morgen viel Arbeit.«
Von Natur aus war Lee keine Frühaufsteherin, aber sie hatte widerwillig festgestellt, daß es notwendig war, sich diese bedauerliche ländliche Sitte anzugewöhnen. Andrew milderte die Qual, indem er ihr um sechs Uhr leise eine Tasse Tee brachte, und danach machte sie, bevor die anderen auf waren, »kurze Hausinspektion«, wie sie es nannte.
An diesem Morgen war sie früher dran als gewöhnlich, und gleich nach dem Frühstück blieb Hester mit dem schmutzigen Geschirr zurück, Lee selbst aber ritt zur ersten Lektion im Brotbacken zu Jean Macgregor.
Sie schwatzten vergnügt bei der Arbeit, und als Kitty Macfarlane in den Gemüsegarten gegangen war, sagte Lee: »Ist es Ihnen nicht schrecklich lästig, wenn Lawrence Dean immer hier herumhängt? Ich habe deshalb richtige Gewissensbisse.«
»Das ist völlig unnötig. Er ist kein schlechter Kerl, auch wenn er viel dummes Zeug redet. Gestern hat er sehr ordentlich die jungen Möhren gejätet.«
Lee freute sich darüber, daß Lawrence einmal gute Arbeit leistete, aber sie bohrte weiter. »Meinen Sie, Kitty mag ihn? Ich meine...«, sie zögerte.
Jean nickte weise mit dem Kopf. »Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Trotz ihres hübschen Gesichtchens hat sie einen Kopf auf ihren Schultern. Sie ist der Typ, der sich an einen soliden ruhigen Mann halten wird, auch wenn Mr. Lawrence noch so gut aussieht und unterhaltsam ist.«
Lee freute sich. Der solide junge Mann konnte niemand anders als Donald Harvey sein, was wieder bewies, wie unrecht Andrew hatte, wenn er über ihre Heiratsvermittlerei spottete. Mit vollendeter Unschuldsmiene fragte sie, ob Mr. Harvey in der letzten Zeit vorbeigekommen sei; sie selbst hätten ihn seit Sonntag nicht mehr gesehen.
Mit derselben Gelassenheit antwortete Jean: »Er kommt hin und wieder. Er und Vater arbeiten ein bißchen zusammen, wissen Sie. Und jetzt, meine Liebe, geht’s ans Brotbacken. Zuerst den Teig gehen lassen. Dann, ist er aufgegangen wie jetzt, formen. Ja, wenn Sie wollen, können Sie ihn über Nacht stehen lassen, aber Sie müssen ihn warm halten. Am Morgen wird er bis zum Rand der Form gegangen sein.«
»Das werde ich tun — ihn heute abend ansetzen, dann früh aufstehen, den Teig backen, und dann werden wir herrliches frisches Brot zum Frühstück haben. Ich glaube, ich werde mein Brot sofort abbestellen, Mrs. Macgregor.«
»Das würde ich nicht tun. Beim ersten Mal kann man nie wissen, obwohl es mit Presshefe ganz einfach ist. In meiner Jugend wurde sie in Flaschen auf dem Kamin angesetzt, und dann schossen die Korken durch die saubere Küche. Jetzt ist es ein Kinderspiel.«
»O ja, ganz einfach und leicht. Aber ich muß jetzt gehen. Die neuen Besucher kommen gleich an. Außerdem habe ich Tante Hester die Pflege des Professors anvertraut.«
»Geht es dem armen Mann langsam besser? Das ist schön — wie alt mag er wohl sein?«
Der völlig unschuldige Ton in Jeans Stimme konnte Lee nicht täuschen. Mrs. Macgregor war auf denselben Gedanken gekommen. Hier gab es noch eine Glücksschmiedin ihres Schlages.
8
»Natürlich erinnere ich mich an dich«, sagte Lee, als Dennis und Sally ankamen. »Du warst Romeo, als Sally vor einem Jahr Julia spielte.«
Sogar Andrew hatte an Dennis Major nichts auszusetzen, trotz der Tatsache, daß er Romeo gespielt hatte. Dennis war ein ruhiger netter Mensch mit einem guten Examen in Kunst und einem Reisestipendium. Er würde Neuseeland in Kürze verlassen, und nicht einmal eine so begeisterte Glücksschmiedin wie Lee konnte zwischen ihm und Sally mehr als ein freundliches, doch unpersönliches Verhältnis entdecken. Er gestand, daß er im Augenblick nichts vorgehabt und daher freudig Sallys Angebot angenommen habe, eine Reise in ihrem Auto mitzumachen und die Hälfte der Unkosten zu
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