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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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dran.«
    »Es tut mir leid, Paimon«, sagte ich. »Ich kann mich
so schwer konzentrieren. Ich fühle mich benebelt, wie im Traum – als ob nichts von alledem wirklich wäre.«
    »Wenn man es mit den Augen der wirklichen Welt betrachtet, Madama, ist tatsächlich nichts hiervon wirklich. Aber andererseits ist auch die wirkliche Welt aus dem Blickwinkel des Anderswo nicht wirklich. Das Anderswo ist ein Ort, wo alles ständig in Bewegung ist und sich verändert, und es ist ein gehöriges Maß an Konzentration nötig, um sich selbst zusammenzuhalten. Aber du musst es versuchen, denn ansonsten wirst du so weit ins Anderswo abdriften, dass selbst Lord Axacaya nicht mehr in der Lage sein wird, dich zurückzuholen, weil es dann nichts mehr von deinem Selbst gibt, in das du zurückkehren könntest. Das, was einstmals Flora war, wird in tausend winzige Stücke zerfallen und sich in dem Ewigen Abgrund verteilen und du wirst für immer verschwunden sein.«
    Für immer. Die beiden Worte zitterten durch mich hindurch und hinterließen eine Eiseskälte. Ich konzentrierte mich auf den harten Hundeschädel unter meiner Hand und Paimon nickte beifällig. »So ist es besser. Komm jetzt. Wir müssen noch einige der Außenbereiche des Hauses durchqueren. Du musst dicht bei mir bleiben, Madama. Sollten wir uns verlieren, könnte es geraume Zeit dauern, bis ich dich wiedergefunden habe.«
    Ich nickte. Jetzt, da ich mich an sein Gesicht gewöhnt hatte, kam mir Paimon überhaupt nicht mehr monströs vor. Seine Ohren waren so weich und seidig und in seinen Augen las ich nichts als Freundlichkeit.
Und er war von einem so schönen Blauton – wie Pflaumen im Abendlicht oder Blaubeeren in der Morgendämmerung. Ich umschloss fest seine Hand und wir gingen weiter, die beiden Hunde in unserem Kielwasser.
    Wir durchquerten einen Söller, vorbei an elegant gekleideten Menschen, die Weingläser in den Händen hielten und kleine Häppchen aßen. Ihre plappernden Stimmen waren undeutlich und weit entfernt, wie eine Melodie, die vom Wind herbeigetragen wird.
    Durch den Ballsaal der Schlacht von Califa, in dem sich jetzt endlose Reihen schmaler Betten befanden, weiße Bahren für stumm leidende Soldaten und Stapel von blutbefleckten Bandagen. Die Stille wurde nur ab und zu von einem unterdrückten Schluchzen durchbrochen.
    Durch ein Esszimmer, durch das leise Klirren von Glas und das gedämpfte Murmeln eines Gesprächs bei schwachem Kerzenschein. Ich erhaschte einen Blick auf eine schwankende Goldfeder – die Generalin, mit einem dicken schwangeren Babybauch, der sie daran hinderte, sich näher an den Tisch zu setzen.
    »Da ist Mama«, sagte ich und versuchte, mich von Paimons Hand zu lösen. Aber er hielt mich fest.
    »Nein, das ist nur eine Erinnerung an deine Mutter und ein Abendessen, das sie vor vielen Jahren hier eingenommen hat«, erklärte Paimon und zog mich mit sich, vorbei am Kopf des Tisches, wo ein Schlitzeroffizier saß, der so aussah, als könnte er Glas zerkauen.
    Durch einen verdunkelten Korridor, an einem kleinen
Kind in einem weißen Nachthemd vorbei, das schläfrig ein flauschiges rosafarbenes Stoffschwein umklammert hielt, sich die Augen rieb und wie aus weiter Ferne weinte: »Bannie … Bannie …«
    Wieder durch den Ballsaal, diesmal erfüllt von Tanzenden. Die Offiziere trugen andere Uniformen als die, die ich kannte. Sie waren grün und weiß und die goldenen Litzen und Epauletten glitzerten im Lampenschein. Die Zivilisten hatten die Haare hoch aufgetürmt, sie zu Wirbeln und Hügeln frisiert und mit kleinen Schmuckstücken verziert – einem Schiff, einer Burg oder roten Vögeln. Draußen schlug der Ozean gegen die Fenster und vom Himmel fielen tausend rote Sterne. Nein, es waren keine Sterne, es war Geschützfeuer – Kanonenkugeln.
    Dann tauchten vor uns ein vertrautes schmiedeeisernes Tor auf und jadegrüne Stufen, die in eine drohende Dunkelheit hinabstiegen: die Garderobe zum Ewigen Abgrund.
    Das flackernde Licht und die staubigen Leichentücher waren noch da, aber jetzt lag auf allen Gesichtern deutlich das Zeichen des Todes. Georgiana Hađraađas Haut war von dem Gift lila verfärbt und die Orange, die sie hielt, war verschrumpelt. Serentha Hađraađas Lippen waren von der Pein der Niederkunft verzerrt, ihre Röcke starrten vor getrocknetem Blut und der unterernährte Säugling war missgestaltet, mit einem krummen kleinen Rücken und Schwimmhäuten an den Händen. Die Schnauze des kleinen Schoßhundes war schaumbedeckt,

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