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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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die Stummelbeine steif und verkrampft.
    Ich war über alle Maßen froh, dass die Vorhänge
um Harthands Totenbahre geschlossen waren. Ich wollte nicht wissen, was hinter dem blutroten Stoff verborgen lag, der, als wir vorübergingen, sich leicht bewegte, als ob das Ding dahinter sich gerührt hätte.
    Wir umrundeten den Raum und stiegen dann dieselben Stufen hinauf, über die wir gerade gekommen waren.
    »Warum gehen wir denselben Weg wieder zurück?«, fragte ich.
    »Man kann niemals denselben Weg zweimal gehen, Madama«, erklärte Paimon. »Der Weg mag derselbe scheinen, aber er ist doch anders, und du bist es auch.«
    Er hatte recht. Jetzt befand sich am oberen Ende der Treppe eine kleine Tür, schmal und nicht hoch genug, als dass Paimon hindurchgehen konnte. Sie war geschlossen.
    »Weiter kann ich nicht mitkommen«, sagte Paimon. »Von hier aus musst du alleine gehen.«
    »Kannst du mich nicht begleiten?«, bat ich flehentlich.
    »Es geht nicht. Hier endet mein Herrschaftsgebiet. «
    »Lord Axacaya ist Mamas größter Feind.«
    »Sagt sie das oder sagt er das?«
    »Sie sagt es. Sie hasst ihn für das, was er der Stadt und der Republik angetan hat. Glaubst du wirklich, dass er mir helfen wird, wo er doch weiß, wie Mama über ihn denkt?«
    Paimon legte mir seine riesige Hand auf den Kopf. Seine Berührung war so leicht wie eine Flaumfeder. »Manchmal glauben wir an Dinge, die ihren Ursprung
nicht in der Wahrheit haben, sondern in unseren eigenen Ängsten und Wünschen. Manchmal sind die Dinge und die Menschen nicht das, was sie zu sein scheinen. Manchmal haben die Menschen dieselben Ziele, aber verschiedene Vorstellungen darüber, wie sie erreicht werden können, Flora.«
    »Und Poppy …«
    Paimons Hand wurde schwerer. »Die Zeit für Grübeleien ist vorüber, Flora. Du darfst nicht mehr nachdenken. Du hast deinen Entschluss gefasst. Jetzt musst du handeln.«
    Er reichte mir ein kleines Kästchen aus Leder, verschlossen mit einer goldenen Schnalle. »Es ist unhöflich, jemanden zu besuchen, ohne ein Geschenk mitzubringen. Gib dies Lord Axacaya als Beweis deiner Dankbarkeit. Und wenn er dich auffordert, ihm deine Lage zu schildern, dann sag ihm einfach die Wahrheit. Lass nichts aus und füge nichts hinzu. Sei respektvoll und ehrerbietig, aber nicht unterwürfig. Sei höflich, aber krieche nicht vor ihm.«
    Ich nahm das Kästchen und verspürte Dankbarkeit. »Danke, Paimon, für alles. Es tut mir leid, dass wir vor dir weggelaufen sind. Du warst so freundlich. Vielen Dank.«
    »Es ist mir ein Vergnügen, dir zu dienen. Ich hoffe, du besuchst mich wieder einmal. Denk immer daran, Flora: Wage, gewinne oder verschwinde. Jetzt geh.«
    Paimons Stoßzähne streiften meine Stirn, glatt und kühl, und als ich seine Wange küsste, spürte ich seine Haut weich wie ein Blütenblatt unter meinen Lippen.
    Ich stieß die Tür auf und trat hindurch.

Kapitel 42
Schwarzer Sand. Fliegen. Lord Axacaya.
    S and knirschte unter meinen Füßen und vor mir erstreckte sich der lange Strand von Pacifica. Aber es war nicht der Pacifica-Strand, wie ich ihn kannte. Der Himmel und die schlürfende See waren quecksilbergrau und das Wasser schäumte über Sand, der so schwarz wie Ruß schimmerte. Es war, als ob jemand die Nacht umgekehrt und das, was hell war, dunkel, was dunkel war, hell gefärbt hätte. Die Luft war merkwürdig still. Lautlos rollte die Brandung über den Sand und fiel dann lautlos wieder zurück. Wenn es Sterne in diesem Himmel gab, so waren sie gegen den silbernen Hintergrund unsichtbar.
    Ich drehte mich um und schaute zurück. Dort thronte Bilskinir blau schimmernd auf der Klippe über mir. Es war ein farbenfroher Schein in einer ansonsten farblosen Welt. Silber und Grau beherrschten die Szene.
    In dem silbrigen Himmel rührte sich etwas: ein Adler. Der Vogel umkreiste mich, aber zunächst in
solcher Höhe, dass ich kaum die Bewegung seiner Schwingen wahrnehmen konnte. Dann aber ließ er sich träge tiefer sinken und zog drohend seine Runden über mir. Obwohl mir ein Blitz aus Angst über den Rücken zuckte, wich ich nicht zurück, auch dann nicht, als der Adler die Flügel anzog und laut aufkreischend im Sturzflug auf mich zuschoss. Seine Krallen waren ausgestreckt und er kam geradewegs auf mich zu.
    In letzter Sekunde zog der Adler seinen Körper wieder leicht in die Höhe. Dann wurden aus Adlerbeinen menschliche Beine und der gesamte Vogelkörper verwandelte sich in eine menschliche Gestalt. So elegant wie ein Tänzer

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