Flora Segundas magische Missgeschicke
Udo machte mir schlaftrunken Platz.
»Was machst du hier?«
»Mama hat den Schönen Jack gefangen!«
Diese Nachricht rüttelte Udo auf. »Was?!«
»Nicht so laut, sonst weckst du die anderen auf.«
»Buck hat den Schönen Jack erwischt? Wann? Wo …?«
»Steht das Haus in Flammen?«, fragte Gesilher aus der Dunkelheit jenseits von Udos Bett. Er macht sich ständig Sorgen, dass man ihn vergiften, verbrennen oder sonst wie ermorden könnte.
»Schlaf weiter, Kleiner«, sagte Udo unwirsch. »Nein, das Haus steht nicht in Flammen.«
»Ayah.« Und damit war Gesilher auch schon wieder eingeschlafen.
Ich sagte: »Ich komme gerade aus dem Präsidium – Mama ist aus Angeles zurück und sie hat den Schönen Jack gefangen. Er ist an einem geheimen Ort untergebracht und soll morgen gehängt werden …« Udo stöhnte, aber ich fuhr fort: »Der Schöne Jack ist Boy Hansgen, Nini Mos rechte Hand!«
Aus Udos Mund entwich ein Gurgeln und er ließ sich flach auf das Bett fallen. »Boy Hansgen! Ist das dein Ernst? Warum gibt sich Boy Hansgen als der Schöne Jack aus?«
»Ich weiß nicht – aber Udo, sie werden ihn morgen Abend hinrichten!«
»Was ist mit der Verhandlung? Er bekommt doch wohl eine anständige Verhandlung, oder?«
»Keine Verhandlung, Udo. Mama hat bereits das
Todesurteil unterzeichnet. Sie will sicher sein, dass er tot ist, bevor jemand davon Wind bekommt.«
Udo war entrüstet. »Sie kann ihn doch nicht ohne Verhandlung verurteilen …«
»Sie hat es getan, Udo, weil er ansonsten in den Klauen der Brummer gelandet wäre. Sie will den Frieden bewahren – hast du eine Ahnung, was die Öffentlichkeit veranstalten würde, wenn bekannt würde, dass der Schöne Jack in Wahrheit Boy Hansgen ist? Es könnte zu Aufruhr kommen, vielleicht zu Mord und Totschlag …«
»Das hört sich ja gerade so an, als ob du Buck verteidigst, als ob du das, was sie tut, für richtig hältst. Und du willst eine Waldläuferin sein …«
»Ich verteidige Mama nicht, Udo, ich erkläre dir nur die politischen Umstände.«
»Die politischen Umstände sind mir schnurzpiepegal. Nicht egal ist mir allerdings die Tatsache, dass der Schöne Jack gehängt werden soll. Was sollen wir tun …?«
Die Zimmertür öffnete sich knarrend und durch den Spalt fiel ein Lichtschimmer in den Raum. Ich vergrub mich in den Decken. Udo stöhnte leise auf und stieß das unglaubwürdigste Schnarchen aus, das ich je gehört hatte. Ich lag so still wie eine Krabbe und versuchte, den Atem anzuhalten. Die Sekunden dehnten sich zu einer halben Ewigkeit und immer noch fiel das Licht ins Zimmer. Udo schnarchte noch einmal, und dann wurde die Tür wieder geschlossen.
Ich grub mich wieder aus. »Du musst leise sein, Udo! Und ich muss nach Hause. Ich will nicht, dass Mama vor mir da ist.«
Udo neigte mir seinen Kopf entgegen, sodass seine Stirn fast die meine berührte, und flüsterte: »Was sollen wir tun?«
»Was können wir denn tun?«
»Wir müssen ihn befreien …«
Ihn befreien? War Udo verrückt geworden? »Wir können ihn nicht befreien …«
»Machst du Witze, Flora? Du redest doch ständig von Nini Mo und davon, was sie tun würde. Glaubst du, sie würde zulassen, dass ihr bester Mann gehängt wird? Entweder ist es dir ernst mit der Waldläuferei oder ich will nie wieder etwas davon hören!«
Udo hatte recht, das konnte ich nicht leugnen. Waldläufer sind einander treu ergeben und halten sich strikt an die Regel: Lasse niemals einen Kameraden zurück. Als Nini Mos Schatzmeister bei einem Überfall getötet wurde, transportierte sie seine Leiche fünfundfünfzig Meilen weit auf einem Maultier, damit seine Familie ihn anständig begraben konnte. Sie hätte niemals dabeigestanden und zugesehen, wie man Boy Hansgen hinrichtet.
»… die Gewehre im Waffenraum«, sagte Udo gerade. »Und ich habe letztes Jahr eine Pistole zum Geburtstag bekommen. Damit haben wir genug Feuerkraft, um das Gefängnis zu stürmen …«
Ich hörte nur mit halbem Ohr hin. Warum konnten wir Boy Hansgen nicht befreien? Auf dem ganzen Weg zum Casa Tigger hatte die Vorstellung, dass der letzte Waldläufer morgen gehängt werden sollte und ich nichts dagegen tun konnte, an mir genagt und mir den Magen umgedreht, als hätte ich ein faules Ei gegessen. Aber Nini Mo sagt, dass es eine Sache
gibt, die einen Waldläufer von anderen Leuten unterscheidet: Er handelt. Hier war meine Chance, mich als Waldläuferin zu beweisen.
»Nein«, unterbrach ich Udos Ausführungen zu seinem
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