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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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hinter mir liegende Wand, wo es wie eine Bombe explodierte.

Kapitel 19
Ein Handgemenge. Der Warlord. Eine Unterschrift.
    D as Glasgeschoss rief den Eisverkäufer auf die Szene. Er fing an zu schreien, was dazu führte, dass Udo noch lauter in die Tasten griff. Ich angelte nach einer hohen Note, erreichte sie aber nicht. Meine Stimme rutschte in ein kratzendes Heulen ab. Noch ein Glas kam geflogen und diesmal traf es ein Ziel: die schuhgesichtige Frau, die umkippte wie ein gefällter Baum. Das Geschrei wurde lauter, und dann segelten nicht nur Gläser durch die Luft: ein Stiefel, eine Ananas, ein Spucknapf. Udo kauerte sich nieder und ich duckte mich hinter ihn, aber trotzdem machten wir hartnäckig mit unserer Vorstellung weiter. Eiscreme zerplatzte an der Wand über uns und tropfte auf uns nieder: leb wohl, Kirschcocktail.
    »He, langsam, langsam!« Dieses Brüllen stieg über das Getöse hinweg, über das Pianoforte, sogar über mein Heulen. Der Aufruhr legte sich, Udo nahm die Hände von den Tasten und ich ließ meine letzte Note austrudeln. Es war uns endlich gelungen, den
Warlord auf uns aufmerksam zu machen, wenn auch nicht ganz auf die Art und Weise, wie wir es uns vorgestellt hatten.
    Der Warlord erhob sich von seinem Pokertisch. »Das reicht. Das reicht jetzt wirklich! Den nächsten Mann, der etwas durch die Gegend wirft, zerbreche ich mit meinen eigenen Händen, weil er das hübsche Lied der Dame so rüde unterbrochen hat. Die Dame möge weitersingen.« Der Warlord mochte zwar alt sein, aber seine Stimme dröhnte wie Donner und in ihr lag die selbstverständliche Erwartung, dass seine Befehle befolgt würden.
    Und sie wurden befolgt. Ein paar Gäste brummten zwar, aber sie setzten sich wieder hin. Der Eisverkäufer und ein zweiter Mann hoben die schuhgesichtige Frau auf und trugen sie nach hinten. Ein Küchenjunge kam mit einem Besen herbei und fing an, die Scherben zusammenzufegen.
    »Singen Sie weiter, Madama«, sagte der Warlord. »Mir gefällt Ihr Lied.«
    »Ich kann nicht, Euer Gnaden«, schluchzte ich und schniefte hinter meinem Schleier. »Ich kann nicht länger singen, oh, Euer Gnaden, ich bitte um Verzeihung.« Ich vollführte den Knicks der Demütigung vor einem Höhergestellten, der so viel höher gestellt ist, dass keine Demütigung demütig genug ist , aber weil man dafür auf Hände und Knie niedersinken muss und der Boden so unsagbar dreckig war, gab ich vor, auf dem Weg nach unten das Gleichgewicht zu verlieren.
    Der Warlord fing mich auf. »Aber, aber. Rezaca, hol der Dame einen Stuhl und ein Glas Wasser. Kommen
Sie zu mir, meine Liebe, und sagen Sie mir, was Sie bedrückt.«
    Ich schluchzte und stöhnte und setzte mich auf den Stuhl, den man mir brachte. Zunächst fiel es mir schwer, nicht laut zu lachen, aber je mehr ich vorgab zu weinen, desto deutlicher merkte ich, dass ich tatsächlich weinte, und zwar ziemlich heftig, als ob jemand in meinem Inneren einen Wasserhahn aufgedreht hätte. Jetzt, da ich in Fahrt war, konnte ich kaum noch aufhören. Harte, keuchende Schluchzer schüttelten meinen Körper und verkrampften meine Innereien.
    »Aber, aber, meine liebe Madama, warum weinen Sie denn so?« Der Warlord tätschelte mir mit seiner riesigen Pranke das Knie.
    »Unser Bruder, Euer Gnaden, unser armer Bruder, er hat nur noch so wenig Zeit in dieser Welt«, sagte Udo mit zittriger Stimme. »Und wir betrauern ihn, Euer Gnaden. Er ist der Liebling unserer Mama, und wie sollen wir es ihr nur beibringen?«
    Jemand schob mir ein Glas in die Hand und ich hob den Schleier gerade so weit an, dass ich mir das abgestandene Wasser in die Kehle gießen konnte, wo es mein Schluchzen in einen Schluckauf verwandelte. Ich trank noch einen Schluck und verschluckte gleichzeitig den Schluckauf. »Oh, Euer Gnaden, können Sie uns nicht helfen? Sie sind so freundlich und großherzig.«
    »Also, erzählen Sie mir genau, was passiert ist, meine Liebe, und vielleicht kann ich tatsächlich helfen. Hier, nehmen Sie mein Taschentuch …« Aus der grünen Brokatweste des Warlords kam ein riesiges, mit
Spitze besetztes rotes Taschentuch zum Vorschein, das bereits ausgiebig benutzt worden war. Ich nahm es, froh, dass der Schleier meine angeekelte Grimasse verbarg, und tupfte die Luft vor meinen Augen ab.
    Der Pokerspieler, der mir den Stuhl gebracht hatte, sagte: »Euer Gnaden, das Spiel …«
    »Halt den Mund, Rezaca. Fahren Sie fort, meine Liebe.«
    Mit brechender Stimme sagte ich: »Euer Gnaden, die Sache ist die:

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