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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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war eine Verwechslung ausgeschlossen.

    Früher einmal war der Warlord ein fürchterlicher Pirat gewesen, der aus den Sklavenmühlen Anahuatls in die Freiheit geflohen war und sich dann ein kleines Imperium erobert hatte. Jetzt ist er ziemlich alt und müde. Ich nehme an, dass der Verfall unausweichlich ist, es sei denn, man trifft Vorbereitungen anderer Art – was ich vorhabe. Ich will mit einem Knall abtreten, wie Nini Mo, lange bevor mich das Leben in ein wimmerndes Häufchen Elend verwandelt.
    Udo zischte: »Da ist der Warlord; was sagt dein Plan?«
    »Er sagt, dass wir warten, bis wir unser Eis haben!«
    »Wir sollten gleich handeln …« Udo verstummte, während Lotte, die schuhgesichtige Frau, die Eisbecher vor uns auf den Tisch knallte, dass die Sahne spritzte, und mein Geld entgegennahm. Jetzt, da der Warlord vor mir saß, nur ein paar Meter entfernt, vertieft in sein Pokerspiel, wurde ich nervös. Die Eiscreme sah recht sauber aus und ich war am Verhungern. Vielleicht sollte ich erst essen und dann …
    »Möchten Sie Blumen kaufen?« Etwas zupfte mich am Ärmel: ein kleines Kind mit einem dreckigen Gesicht.
    »Mach die Biege«, sagte Udo grob.
    Das Kind streckte ihm die Zunge heraus und wiederholte seine an mich gerichtete Frage: »Möchten Sie Blumen kaufen?«
    »Du hast doch gar keine Blumen«, sagte ich. Das Kleid des Kindes wies riesengroße Löcher auf und die kleinen nackten Füße waren blau vor Kälte.

    Das Kind schaute mich an, als sei ich ein Idiot. »Sie sind draußen. Wenn Sie mitkommen, zeige ich sie Ihnen …«
    »Tut mir leid, aber ich brauche keine Blumen. Aber hier …« Ich fischte in meiner Geldbörse herum und zog eine Münze hervor. Das Kind schnappte mir das Geldstück aus der Hand und rief: »Schweinebacke!«, ehe es hinaussauste.
    Udo murmelte: »Das war aber sehr klug! Jetzt weiß jeder Bettler südlich des Grabens, dass es bei uns was zu holen gibt. Weißt du denn nicht, dass man keine Almosen geben darf?«
    »Die Kleine hatte keine Schuhe.«
    »Sie hat sie wahrscheinlich zu Hause gelassen. Ich meine, wer gibt schon einem Bettler mit Schuhen Geld?«
    »Vielleicht ist sie wirklich arm, Udo.«
    Ein ersticktes Schluchzen kam von der anderen Seite des Tisches. Udo schniefte in seine Eiscreme, die Tränen liefen ihm über das Gesicht und verschmierten seine Wimperntusche. Einen Moment lang war ich verwirrt. Vor einer Sekunde war ihm das Kind noch völlig egal gewesen, und jetzt heulte er über sein Schicksal? Dann ging mir auf, dass Udo – verdammt soll er sein! – mit unserem Plan begonnen hatte, ohne auf mein Signal zu warten.
    »Ahhhhh!«, rief Udo laut und dramatisch. »Ich kann es nicht ertragen, Felicia. Es ist einfach zu viel. Unser armer Tenorio, so jung, so jung.«
    Unter dem Tisch trat ich Udo gegen das Schienbein, aber er machte unbeirrt weiter. »Sing uns ein Lied, Felicia, sing uns ein Lied, das uns an Tenorio
erinnern soll. Hier, ich werde spielen und du sollst singen …«
    Wir standen auf und gingen zu dem klapprigen Pianoforte, das an einer Wand stand. Udo klappte den Deckel auf und eine Staubwolke wirbelte hoch. Als er die Tasten drückte, jaulte das Pianoforte auf wie eine Katze. Eigentlich hatten wir vorgehabt, dass ich ein Lied spielen sollte, während er sang, aber anscheinend hatte Udo jetzt das Kommando übernommen und meinen Plan einfach abgewandelt.
    »Sing, Felicia, sing für Tenorio.« Er hämmerte einen Akkord auf den Tasten. Es war der Anfang von »Wer gibt der Mutter den Sohn zurück?«. Mir blieb keine andere Wahl, also klappte ich den Mund auf und hoffte inständig, dass ich mich an alle Textzeilen erinnern konnte.
    »Jemandes Liebster, so jung und so schön,
hat man je ein süßeres Antlitz geseh’n?
Doch bedeckt des Grabes Staub gar schnell
das schimmernde Licht der Jugend, noch hell.
Jemandes Liebster, jemandes Glück,
wer gibt der Mutter den Sohn zurück?«
    Ich bin wahrlich keine besonders gute Sängerin, aber meine zitternden Noten passten perfekt. Es klang so, als würde meine Stimme jeden Moment von Tränen erstickt werden. Der Warlord ist bekanntermaßen empfänglich für rührselige Geschichten und traurige Lieder – eine Empfänglichkeit, von der unser ganzer Plan abhing.
    Die Menge, die unsere Darbietung nicht richtig
zu schätzen wusste, fing an zu buhen und zu johlen, aber Udo spielte unbeirrt weiter und ich sang dazu, auch als jemand ein Glas nach mir warf. Ich duckte mich gerade noch rechtzeitig und das Glas prallte gegen die

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