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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Hauptbestandteil meiner Verkleidung. Ich war in Trauer. Welche von Jammer niedergedrückte
Schwester, die ihren Lieblingsbruder an das grausame Schicksal zu verlieren fürchtete, würde ihr Gesicht öffentlich zeigen?
    »Ich weiß«, erwiderte Udo.
    Wir schlugen unsere Fäuste gegeneinander. »Auf die Plätze.«
    Handfläche an Handfläche. »Fertig.«
    Knöchel an Knöchel. »Los.«
    In Nini Mos Taschenbüchern haben die Kneipen immer Schwingtüren, aber Petes Clown Diner besaß gar keine Türen, sondern nur einen Perlenvorhang, der klirrte, als wir uns hindurchschoben. In den Büchern ist es auch immer laut in Kneipen, laut und verräuchert, und überall sitzen galante Glücksspieler und Barmädchen mit üppigem Busen und goldenem Herzen. In Petes Clown Diner war es dunkel und es roch nach kaltem Rauch. Keine Kapelle spielte auf der Bühne; es war still hier drin, und galante Glücksspieler konnte ich ebenso wenig entdecken wie üppige Bardamen, nur eine Kellnerin mit einem Narbengesicht, das aussah wie ein zerknautschter Schuh. An den Tischen saßen Männer und Frauen, deren Köpfe schlaff über den Gläsern hingen.
    An einer Seite des Raums stand eine Theke, glatt und lang. Dahinter hing ein riesiger Spiegel an der Wand. Er war leicht nach vorn geneigt und reflektierte den halb leeren Raum sowie den Viehtreiber und die trauernde Frau im Türrahmen.
    »Meine Haut …«, stöhnte Udo und hustete. Ich stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. Jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, sich um seinen
Teint Sorgen zu machen. Wer selbstbewusst ist, handelt auch selbstbewusst, sagt Nini Mo, also schritt ich vorwärts auf die Theke zu und lehnte mich lässig dagegen.
    Der Barkeeper schaute mich über seine Brillenränder hinweg an. »Was darf es sein, Madama?«
    Eine Sekunde lang war mein Kopf völlig leer. Was bestellte man in einer Kneipe? Ein Getränk. Was für ein Getränk? Ich konnte an kein einziges denken, mir fiel einfach nichts ein und dann …
    »Bier«, sagte Udo.
    Der Barkeeper zuckte zurück und griff sich an die Brust, als ob Udo ihm einen Schlag verpasst hätte. »Bier? Bier? Junger Mann, Sie kränken mich. Bier! Das hier ist keine Besenkammer, keine Spelunke, keine üble Absteige! Petes Clown Diner ist ein erstklassiges Etablissement mit erstklassigen Kunden mit erstklassigem Geschmack. Wir stellen unser Eis und unsere Sahne selbst her. Von dem Karamellsirup gar nicht zu reden! Und ich, Thomas Yin Terry, bin in ganz Califa als außergewöhnlicher Mixologe bekannt, dessen Geschmacksrichtungen weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt sind – und Sie verlangen nach Bier?« Er ließ den Kopf hängen und eine silberne Träne rann ihm über die Wange.
    Während er gesprochen hatte, hatte ich die Karte studiert, die auf dem Spiegel geschrieben stand, und festgestellt, dass Petes Clown Diner eine Eisdiele war. Die silberne Zapfanlage, die hinter der Theke stand, enthielt verschiedene Sorten von Limonade, kein Bier. Ich war erleichtert, dass ich kein Bier herunterwürgen und so tun musste, als würde es mir
schmecken. Eiscreme ist viel besser, und außerdem hatte ich Hunger.
    Schnell sagte ich: »Ich muss mich für meinen Bruder entschuldigen, Meister. Er ist nur ein Viehtreiber, und die haben keinen Stil …« Udos Fuß bohrte sich in meinen, aber ich beachtete den Schmerz nicht. »Ich nehme einen Kirschcocktail.«
    Das Gesicht des Eisverkäufers, vormals Barkeeper, hellte sich auf. »Ah, einen Kirschcocktail. Den habe ich seit Tagen nicht mehr gemacht. Eine gute Wahl. Und Sie, Meister Viehtreiber?«
    »Einen Blitzpfeilbecher«, sagte Udo.
    »Noch eine gute Wahl. Setzen Sie sich und Lotte wird Ihnen Ihre Bestellung bringen.«
    Wir setzten uns an einen Tisch, der schmutziger war als Crackpots Küchenfußboden. Lediglich ein böser Blick von mir hatte Udo davon abgehalten, sein Taschentuch auf den Stuhl zu legen, bevor er sich hinsetzte, aber ich konnte ihm wirklich keinen Vorwurf machen.
    Obwohl mir der Magen knurrte, dachte ich, dass es vielleicht keine so schlechte Idee wäre, nur vorzugeben, das Eis zu essen.
    Der Warlord saß im hinteren Teil des Raums mit drei anderen Männern an einem runden Tisch und spielte Karten. Ich erkannte ihn sofort, denn sein Bild hängt – neben dem von Mama – in jedem Klassenzimmer und jedem öffentlichen Gebäude der Stadt. Der Warlord sah zwar nicht ganz so aus wie auf seinen Porträts – das Haar war in Wirklichkeit weißer und sein Bauch dicker –, aber trotzdem

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