Flora Segundas magische Missgeschicke
Unser armer Bruder Tenorio trat in die Armee ein. Er ist die Stütze unserer Mutter, ihr Lieblingssohn, wo sie doch mit ihrem Kropf und ihrem krummen Rücken und der Gicht ihr Leben lang Wäsche gewaschen hat, um uns arme Kinder ernähren zu können.«
»Ein braver Sohn«, bemerkte der Warlord. Er bedeutete, dass man mein Glas neu füllen solle. »Erzählen Sie weiter, Madama.«
»Der arme Tenorio ist in schlechte Gesellschaft geraten, an Burschen, die ihn zum Trinken und zum Glücksspiel verführten, und schon bald hatte er seinen ganzen Sold und seine Ersparnisse und noch mehr verspielt und war hoch verschuldet. Und dann, als er nicht mehr weiterwusste und unserer armen Mama das Geld schicken wollte, das sie für ihre Medizin brauchte, nahm er es aus der Armeekasse …« Ich verstummte, schniefte und nahm mir Zeit, um das Drama wirken zu lassen. »Er wurde erwischt und zum Tode verurteilt, Euer Gnaden!«
Hier ließ ich mich gehen, stieß ein Geheul und eine neue Runde von herzzerreißenden Schluchzern aus, wartete, hoffte, betete, dass unser Plan funktionierte.
»Euer Gnaden, das Spiel!«, drängte der Pokerspieler.
Der Warlord hob die Hand, ohne die Augen von mir zu wenden. Er sprach und seine Stimme zitterte ein wenig. »Sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann, kleine Dame. Ich kann es nicht ertragen, ein so süßes Gesicht so traurig zu sehen.«
Alles Blut, von dem ich nicht bemerkt hatte, dass es mir aus dem Gesicht gewichen war, strömte wieder hinein. »Oh, Euer Gnaden«, sagte ich und diesmal bebte meine Stimme vor Erleichterung. »Ich weiß, es war falsch, und Tenorio weiß es auch, aber verdient er, dafür gehängt zu werden? Unsere arme Mutter!«
»Euer Gnaden, wir sollten wirklich …«, sagte der hartnäckige Pokerspieler, aber der Warlord winkte erneut ab und tätschelte wieder mein Knie. Diesmal allerdings war es mehr ein Reiben als ein Tätscheln. Traurig lächelte ich ihn an.
»Wenn wir alle wegen eines einzigen Fehlers hingerichtet würden, Euer Gnaden, wer wäre wohl dann noch am Leben? Und wie sollten wir aus unseren Fehlern lernen?«, gab Udo mit ernstem Gesicht zu bedenken.
Der Warlord fragte: »Habt ihr darüber mit der Generalin Fyrdraaca gesprochen?«
»Sie wollte mich nicht empfangen, Euer Gnaden. Sie nimmt es sehr genau mit dem Gesetz. Aber lässt das Gesetz denn keinen Spielraum für die Gnade? Die Entscheidungen des Warlords waren immer gerecht und gnädig.«
»Ayah, das waren sie. Und das sollten sie auch sein – Rezaca, wenn du noch einen Mucks von dir gibst,
werde ich dich grillen.« Wieder rieben die Hände über mein Bein. Und dann, bevor ich widersprechen konnte, hob mich der Warlord hoch und setzte mich auf sein mächtiges Knie. Er war zwar alt, aber immer noch ziemlich stark, auch wenn er nur noch ein Bein hatte. »Ich werde zu euren Gunsten bei der Generalin Fyrdraaca vorsprechen, mein Vögelchen. Wie wäre das?«
»Aber Euer Gnaden.« Ich ließ Tränen in meinen Augen aufsteigen. »Die Hinrichtung ist heute Abend und dann wird es zu spät sein.«
»Und die Generalin Fyrdraaca ist nach Moro abgereist«, warf Udo ein. »Wenn sie zurückkommt, ist unser Bruder tot und unsere Mutter wird vor lauter Scham sterben.«
Der Warlord umfasste mich vertraulich mit seinem Arm, was mir ganz und gar nicht gefiel, aber mir blieb nichts anderes übrig, als lieb und unschuldig dreinzuschauen. Ich konnte sein Frühstück in seinem Atem riechen – eingelegter Hering. Ich schluchzte, beugte den Kopf nach vorn und stieß dem Warlord meinen Ellbogen in die Brust. Sein Schraubstockgriff lockerte sich ein wenig.
»Euer Gnaden, haben Sie Mitleid! Können Sie den armen Tenorio nicht retten?«, jammerte Udo.
»Ich kann und ich werde!«, verkündete der Warlord. »Hol mir Papier, Rezaca. Ich kann nicht zulassen, dass diese kleine Dame vor Trauer vergeht, und das wegen einer solchen Kleinigkeit. Haben wir nicht alle hin und wieder Spielschulden, die uns auf den Magen drücken?«
Der zappelige Pokerspieler widersprach: »Euer
Gnaden, es fällt wohl nicht in Euren Zuständigkeitsbereich, Euch in die Rechtsprechung einzumischen …«
»Wessen Gesetze sind es denn? Meine! Und ich werde handeln, wie ich es für richtig halte!«, donnerte der Warlord. »Bring mir Papier!«
Rezaca ließ sich nicht beirren. »Euer Gnaden, die Generalin Fyrdraaca …«
Der Warlord erhob sich und ich plumpste von seinem Knie. Verglichen mit dem, was jetzt folgte, war sein vorheriges Brüllen das Schnurren
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