Florentinerpakt
aufgenommen. Der Grund
dafür war, dass der Vater seinen eigenen Sohn für nicht sonderlich tüchtig
gehalten und ihn in die seiner Meinung nach weniger anspruchsvolle
Notariatskarriere hatte abschieben wollen. Zwei Jahre später war Wolfram auf
tragische Weise ums Leben gekommen. Soweit festgestellt worden war, war er
eines Nachts vor einem Geldausgabeautomaten überfallen und erschossen worden.
Von dem Täter fehlte nach wie vor jede Spur, sodass der Fall unerledigt
abgelegt worden war.
Nachdem Erwin seine Notariatsprüfung absolviert hatte, war er
von seinem Onkel als Partner in die Kanzlei genommen worden. Wenig später waren
Jacomi & Jacomi in ein bedeutend größeres Büro in der Muthgasse
übersiedelt.
Also diese Kanzlei war
jetzt für die Abwicklung dieser komischen ›Siebener-Tontine‹ zuständig, dachte
Wallner und tippte die Rufnummer ein, die ihm der Referent der Kammer
freundlicherweise genannt hatte.
Ja, man wusste Bescheid über diesen ungewöhnlichen Vertrag,
der in drei Tagen ablaufen würde. Aber nein, von dieser Kanzlei hatte niemand
mit einem der Vertragspartner Kontakt aufgenommen, schon gar nicht in
Australien.
»Das ist laut Vertrag auch gar nicht vorgesehen. Die
überlebenden Berechtigten müssen von sich aus ihren Anspruch anmelden. Dazu
kommt noch, dass unser Chef extrem kostenbewusst ist«, vertraute ihm die
Kanzleileiterin an. Eine Zimmerreservierung oder eine Abholung vom Flughafen
kam daher logischerweise auch nicht infrage.
Wallner notierte sich ›Telefonlisten anfordern‹ und wollte
schon das Gespräch beenden, als ihm noch ein kleines Detail einfiel.
»Sagen Sie, gibt es in Ihrer Kanzlei vielleicht einen
Mitarbeiter, der lispelt?«
Der Inspektor hatte das Gefühl, dass das Schweigen am anderen
Ende der Verbindung unter ›betreten‹ einzuordnen war. »Wie meinen Sie?«,
meldete sich die Büroleiterin nach einigen Sekunden. »Was verstehen Sie unter
Lispeln?«
»Na ja …«, er überlegte, wie man das am treffendsten
umschreiben konnte, »es klingt etwas eigenartig, wenn man ein ›S‹ spricht.
Sonnenschein klingt dann wie ›Thonnenthein‹. Das ›S‹ klingt wie das englische
›th‹. Wie bei ›Mrs. Thatcher‹. Sie erinnern sich, die ehemalige britische
Premierministerin.«
»Sie meinen also, wenn jemand beim Sprechen eines ›S‹ mit der
Zunge an den Zähnen anstößt?«, definierte die Büroleiterin druckreif. »Nein, so
jemand haben wir nicht hier.« Im Hintergrund konnte Wallner noch so etwas wie
nervöses Gelächter vernehmen, ehe das Gespräch endgültig beendet war.
Nachdem jetzt definitiv feststand, dass Jakob Fahlbichler
offenbar nach Wien gelockt und von Menschen, die ihm nicht unbedingt Gutes
wollten, vom Flughafen abgeholt worden war, war dringender Handlungsbedarf
gegeben. Er veranlasste daher sofort, dass der Suche nach dem Austroaustralier
höchste Priorität eingeräumt wurde. Als die gut geölte Maschinerie der
Alarmfahndung so richtig zu schnurren begann, war es nicht nur auf Wallners Uhr
bereits kurz vor 15.30 Uhr.
*
Auf der Suche
nach Gregor Atzinger hatte Florian Nowotny einen ersten Hinweis entdeckt. Im
Benediktinerkloster Martinsfeld gab es angeblich einen Bruder Gregor, der, ein
zweites Mal angeblich, in seinem früheren Leben den Namen Atzinger getragen
haben sollte. Pater Gregor war in der Gärtnerei tätig, mehr hatte Florian auf
die Schnelle nicht in Erfahrung bringen können. Der folgende Anruf machte der
zart aufkeimenden Hoffnung, den vorletzten ›Siebener‹ gefunden zu haben, aber
rasch wieder ein Ende. Dieser Gregor war bereits 69 Jahre alt und kam daher als
Gesuchter nicht infrage. Langsam dachte der sonst so geduldige, positiv
denkende jungen Mann daran, zu resignieren. Wo sollte er jetzt noch
nachforschen? Außer der Fremdenlegion und den Gefängnissen hatte er eigentlich
alle Möglichkeiten bereits ausgeschöpft.
Plötzlich hatte Florian
eine verrückte Idee. Er ging zur Google-Eingabe ›Bilder‹ und tippte den Namen
des Gesuchten ein. Und siehe da, die Suchmaschine war fündig geworden und bot
ihm drei Fotos anscheinend etwas älteren Datums an. Sie zeigten einen 30,
vielleicht auch schon 35 Jahre alten Mann, der ihm irgendwie bekannt vorkam.
Bei den Bildern befand sich auch die Adresse des Copyrightinhabers, in diesem
Fall eines Fotostudios in Berlin. Er versuchte drei Mal, die angegebene Nummer
zu erreichen, aber erfolglos. Gut, dann musste er es
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