Florentinerpakt
Inspektor. Musch hörte sich das Vorbringen der Frau
erstaunlich geduldig an, meinte dann aber nur, dass der Täter tot und der Fall
daher abgeschlossen sei.
»Es ist aber schön zu sehen, dass die Bevölkerung an der
Arbeit der Polizei so Anteil nimmt. Ich danke Ihnen, Frau Endbiegler.«
»Aber …«, wollte Frau Enigler einwenden, doch der
Inspektor hatte schon wieder aufgelegt. So ein arrogantes …, so frei
waren ihre Gedanken auch wieder nicht, Kerl, dachte sie und war wild
entschlossen, ihr essenzielles Wissen auf jeden Fall weiterzugeben. Aber an
wen?
Da fiel ihr eine
Lichtgestalt aus ihrer Jugend ein. Ein junger Bezirksinspektor, sehr fesch in
seiner schneidigen Uniform, war in die 3 A der Volksschule in der Kreindlgasse
gekommen und hatte die Neunjährigen über die Gefahren des Straßenverkehrs aufgeklärt.
Anni war so beeindruckt gewesen, dass sie noch als Zwölfjährige Polizistin
werden wollte. Erst dann war sie von Romy Schneider angeregt worden, zum Film
gehen zu wollen.
Der Mann musste jetzt, sie überlegte, einiges über 70 Jahre
alt sein. Falls aber seine damaligen Abschiedsworte ›Wenn ihr irgendwann ein
Problem habt, könnt ihr euch jederzeit an mich wenden‹ ernst gemeint gewesen
waren, dann mussten sie eigentlich auch noch heute gelten. Unbefristete
Versprechungen verjähren ja bekanntlich nicht. Hoffentlich lebte Albert Göllner
noch, ja, an den Namen erinnerte sich Anni noch ganz genau. Und hoffentlich
lebte er in Wien.
Tatsächlich, in Wien gab es zwei Albert Göllner. Der eine
wohnte in Oberlaa, der zweite … in der Billrothstraße. An so viel Glück
wagte sie nicht zu glauben und rief daher zuerst den Göllner am anderen Ende
Wiens an. Doch tatsächlich war der zweite Albert jener, den sie suchte. Der,
der quasi um die Ecke wohnte. Und sich freute, die ›gnädige Frau‹ um
17 Uhr bei sich empfangen zu dürfen, wie seine leidlich freundliche
Haushälterin ausrichtete.
*
Etwa eine halbe Stunde, nachdem Palinski zu
Magister Blum ins AKH und Dr. Rossbach in seine Ordination gefahren waren,
meldete sich Major Eberlich von der Flughafenpolizei in Wien-Schwechat. Da die
Maschine aus Paris wegen Rückenwindes bereits zwölf Minuten vor der offiziellen
Ankunftszeit gelandet war, hatten sämtliche Passagiere bereits den
Ankunftsbereich des Flughafens verlassen gehabt. Er bedauerte, dass der
gewünschten Festnahme Jakob Fahlbichlers daher der Erfolg versagt geblieben
war.
Bei Durchsicht der Kontrollvideos hätten sie allerdings zwei
wartende Personen ausgemacht, einen Mann und eine Frau, die eine Tafel mit dem
Namen ›Mr. Fahlbichler‹ in die Höhe gehalten hatten. Auf einem späteren Bild
war zu erkennen, wie ein kleiner, stämmiger Mann zu den beiden trat, sie
begrüßte und mit ihnen wegging.
Darüber hinaus hatten die Kollegen vom Flughafen noch einen
Taxichauffeur ausfindig gemacht, der sich an die drei erinnerte. »Wäu die Frau
sea fesch und an hoibn Kopf gressa woar wia die beidn Mäna«, war ihm das Trio
aufgefallen. Sie hatten einen großen, schwarzen Kombi, wahrscheinlich einen
Audi oder BMW, bestiegen und waren abgefahren.
»Natürlich steht Ihnen das Videomaterial zur weiteren
Bearbeitung zur Verfügung«, stellte Eberlich fest. »Wir sind gerade dabei, eine
Kopie anzufertigen, und lassen sie dann sofort zu Ihnen bringen.«
Das war zwar kein Erfolg, aber dennoch gute Arbeit gewesen.
Als Nächstes ließ sich Oberinspektor Wallner mit der Wiener
Notariatskammer verbinden. Inzwischen hatte er nämlich feststellen müssen, dass
es den in Fahlbichlers Anruf als Nachfolger Dr. Wieselbergers genannten Dr.
Reiberhammer nicht gab. Ein Notar dieses Namens war weder in Wien noch in
Niederösterreich existent.
Entweder war auch das nur eine falsche Information gewesen
wie die mit dem ›Roxy‹. Oder vielleicht doch ein Irrtum? Aber gleich zwei
Irrtümer in einem Gespräch? Was konnte damit bezweckt worden sein? Oder war der …,
wer immer auch dafür verantwortlich war, ganz einfach nur ein pathologischer
Lügner? Ließ das Schlüsse auf das Täterprofil zu?
Die Kammer teilte ihm schließlich mit, dass die Kanzlei
Wieselberger vor ungefähr acht Jahren von Dr. Franz Jacomi übernommen worden
war. Vor etwas mehr als neun Jahren hatte Jacomi seinen Neffen Erwin, der
vorher als Konzipient bei seinem Vater, Rechtsanwalt Dr. Wolfram Jacomi, tätig
gewesen war, als Notariatsanwärter in seine Kanzlei
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