Florentinerpakt
und mit ihrem gleißenden Licht die gewaltige Anlage bis auf den
letzten Zentimeter ausleuchteten.
Im Gegensatz zu den
Menschenmassen, die bei den sportlichen Großereignissen hier in Slowenien,
knapp hinter der österreichischen Grenze, üblicherweise den riesigen
Zuschauerbereich bevölkerten, waren heute nur relativ wenige Menschen anwesend.
Leute von der Produktionsfirma, von der Werbeagentur und von der internationalen
Versicherungsgesellschaft, die diesen Werbespot in Auftrag gegeben hatten. Und
natürlich auch einige Einheimische, die sich das Spektakel ein paar Tage vor
dem Heiligen Abend nicht entgehen lassen wollten.
Das von einem Team der kreativsten Köpfe des Landes nach
tagelangem Brainstorming entwickelte Skript ließ wirklich einige ungemein
spektakuläre Szenen erwarten. Und Aufnahmen, wie man sie in dieser Art wohl
noch nie gesehen hatte.
Die Story war simpel, aber originell: Ein Tourist säuft in der
Skihütte zu viel ›Jagertee‹ und versäumt darüber die letzte Seilbahn. Er borgt
sich eine Rodel und macht sich total beduselt auf die Fahrt ins Tal. In der
Dunkelheit rutscht er hilflos zwischen den Bäumen herum, hat nur die Lichter im
Tal als einzige Orientierungshilfe. Endlich erreicht er eine breite, gut
beleuchtete Schneise, die direkt hinunterzuführen scheint. Erfreut richtet er
sein Fahrzeug in die Falllinie, preist noch die Weitsichtigkeit des örtlichen
Tourismusvereins und rast auch schon los. Talwärts, nach Hause in sein
kuscheliges Vier-Sterne-Hotelzimmer.
Als er dann endlich bemerkt, dass er sich in der Anlaufspur
einer riesigen Sprungschanze befindet, ist es zu spät, die Rodel anzuhalten.
Der Mann und sein Gefährt schießen über den Bakken hinaus und steigen hoch in
die Luft.
Als das ›Geschoss‹ den höchsten Punkt der Flugbahn erreicht,
öffnet sich völlig unerwartet ein riesiger Fallschirm, der den zufrieden
lächelnden Mann langsam, aber sicher zu Boden schweben lässt.
Dazu hatten sich die Kreativen der schreibenden Zunft
ergreifende Aussagen wie ›Auf alles vorbereitet sein‹, ›Damit Ihnen nichts
Schlimmeres passiert‹ und ›Nur nichts dem Zufall überlassen‹ überlegt.
Natürlich jeweils mit dem Hinweis auf den Auftraggeber, die ›Europäische
Assekuranz AG‹.
Anlass für diesen Höhepunkt schöpferischen Schaffens war der
Umstand, dass die Versicherung ›Offizieller Sponsor der Skiflug WM‹ im März
kommenden Jahres sein würde. Und das sollte ab Jänner möglichst vielen Menschen
über das Fernsehen mitgeteilt werden.
Greg Feeder, der in Wirklichkeit anders hieß, war froh, dass
er mit seinen immerhin schon 48 Jahren diese Rolle erhalten hatte. Daran waren
zweifellos sein gutes Aussehen und seine durchtrainierte Figur schuld, vor
allem aber auch die Tatsache, dass er sich bereit erklärt hatte, den
erforderlichen Stunt selbst durchzuführen. Greg, dessen angenommener Name
›Fieder‹ ausgesprochen wurde und ›Fütterer‹, eine freie Assoziation mit seinem
wirklichen Namen, bedeuten sollte, war im zarten Alter von 20 in die USA
ausgewandert. Dort hatte er sich als Kleindarsteller und Stuntman in Hollywood
durchgeschlagen. Er war nie in die erste Reihe der Spezialisten für Sprünge aus
dem 20. Stockwerk, rasante Fahrten durch brennende Anlagen oder aberwitzige
Verfolgungsjagden über Dächer und mit Motorrädern aufgerückt. Hatte aber genug
gelernt, um nach seiner Rückkehr in den Alten Kontinent ein gefragter Hero in
europäischen Produktionen zu werden. Da er dazu auch über einiges
schauspielerisches Talent verfügte, war er in den letzten Jahren immer häufiger
in deutschen Fernsehfilmen zu sehen gewesen. In ›Schauplatz Nordfriedhof‹ hatte
er sogar 18 Sätze zu sprechen gehabt, in ›Schlamassel in Bad Godesberg‹ zwar
nur 14, dafür aber wesentlich längere.
Die Rolle jetzt war ein echter Glücksfall. Die Kombination
mit dem Stunt brachte ihm mit 12.000 Euro die bisher höchste Gage seines
Lebens. Nicht schlecht für drei Tage vor der Kamera und eine sanfte Landung mit
dem Fallschirm.
Jetzt stand er mit der speziell aufgemotzten Rodel am oberen Ende
der gigantischen Schanze und blickte in die Tiefe. Er hatte ein eigenartiges
Gefühl im Magen, aber das war normal und schärfte nur seine Sinne. Sein Flug
mit der Rodel würde lediglich maximal 80 Meter weit und zehn Meter hoch gehen,
aber durch die raffinierte Kameratechnik und -führung wesentlich weiter und
höher wirken. Und
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