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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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glauben.
    Sie nickte und überließ ihm die Pferde.
    Von diesem Augenblick an, bis zur letzten Himbeere des Nachtischs, nahm Florian die Umwelt nur noch undeutlich wahr. Er zog sich um und duschte noch einmal. Doch alles geschah wie im Traum, so als ob er gar nicht wirklich dabei wäre. Und das traf seinen Zustand genau. Er war, wie man so sagt: überhaupt nicht bei der Sache.
    Erst als Agathe das Geschirr abräumte und die Tante ihr zurief: „Es hat, wie immer, fabelhaft geschmeckt!“ kam er wieder zu sich. Zuerst rückte er den großen Tisch an die Wand und den Besucherstuhl auf seinen Platz. Dann setzte er sich hinein und wartete.
    „Hast du dir Fragen überlegt?“ Die grünen Augen strahlten ihn an.
    „Muß man das?“ Noch während er fragte, dachte er: Ich Idiot! Dabei habe ich so schön Zeit gehabt!
    „Im allgemeinen wollen die Leute bestimmte Dinge wissen“, erklärte die Tante. „Mir erleichtert das die Konzentration.“
    Er machte ihr also Schwierigkeiten. Auch das noch! Jetzt fiel ihm erst recht nichts ein.
    „Plag dich nicht, Flori !“ tröstete sie. „Wenn du Fragen hast, ich bin ja da. Wir sehen uns jeden Tag. Um dich aber nicht zu enttäuschen und weil ich’s dir versprochen habe, nehmen wir jetzt irgendwas. Damit du siehst, wie das geht.“
    „Ja, bitte“, sagte Florian kleinlaut und dachte wieder krampfhaft nach.
    Die Tante war schneller. „Schauen wir mal, was deine Eltern machen.“
    Das hätte Florian bestimmt nicht gefragt. Das wäre ihm auch nach stundenlangem Nachdenken nicht eingefallen. Trotzdem. Als Beispiel mochte es gut sein. Vielleicht besser als etwas, das ihn unmittelbar betraf, wie der 400-Meter-Lauf beim nächsten Sportfest. Würde er den gewinnen?
    Mensch, das wär ja eine Frage!
    Zu spät! Tante Thekla hatte bereits die Fingerspitzen an die Schläfen gelegt und starrte unbeweglich auf die Kristallkugel. „Es regnet in Strömen“, begann sie nach einer Weile. „Deine Eltern sitzen in einem Restaurant am Strand. Sie machen sich Gedanken, ob es richtig war, dich hierherkommen zu lassen. Wo ich in der Verwandtschaft doch einen so schlechten Ruf habe. Da ist immer etwas dran! hat dein Vater eben gesagt. Jetzt trinkt er. Rotwein. Gegen den Arger. Sie haben viel Ärger, deine Eltern. Nicht nur mit dem Wetter. Das Hotel mißfällt ihnen. Es liegt an einer lauten Straße, und sie haben nicht den Ausblick, wie er im Prospekt abgebildet ist!“ Mensch, hab ich’s da schön! dachte Flori und rieb sich die Hände.
    „Und dann war etwas mit dem Auto“, fuhr die Tante fort. „Es ist beschädigt...“
    Nun bekam Florian doch einen Schreck.
    Tonlos bewegte Tante Thekla die Lippen, bis sie endlich weitersprach: „Es... es ist aufgebrochen worden. Das Radio fehlt und der kleine Fotoapparat von deiner Mutter, und Sachen, die zur Tauchausrüstung gehören. Moment! Deine Mutter fragt ihn etwas: Kriegen wir nun morgen das andere Zimmer? — Nein! sagt dein Vater. Ich hätte gute Lust zurückzufahren, nach allem. — Dann machen wir das doch! sagt deine Mutter. — Jetzt trinken sie beide.“
    „Die werden doch nicht...!“ Florian war erregt aufgesprungen.
    Die grünen Augen starrten weiter auf die Kristallkugel. „Sie überlegen noch, ob sie bleiben sollen, weil sie schon so viel Geld ausgegeben haben, oder ob sie etwas anderes machen sollen, mit dem, was sie noch ausgeben können. Aber sie werden früher zurückkommen. Das steht fest.“
    Florian war wieder auf den Stuhl gesunken.
    Tante Thekla hatte die Hände von den Schläfen genommen. Ihr Blick kehrte wie aus weiter Ferne zurück und ruhte auf ihm. „Was schaust du denn so verzweifelt, Flori ?“
    „Wenn sie früher wiederkommen, holen sie mich hier weg!“ Florians Laune hatte den Nullpunkt erreicht. „So, wie sich mein Vater über dich äußert...“
    „Wieso, was hat er denn gesagt?“
    Die Frage der Tante riß Florian aus seiner Stimmung: „Das fragst du mich?“
    Noch einmal legte sie kurz die Finger an die Schläfen: „Ach ja, ach ja!“ Dann sah sie ihn an. „Weißt du, ich konzentriere mich gewöhnlich nur auf das, was geschieht oder gesagt wird, nicht auf Bewertung oder Personenbezüge.“
    „Stimmt. Das hast du gesagt.“ Florian überlegte: Oder war’s August?
    Die grünen Augen strahlten wieder. „Noch eine Frage? Hast du dir was überlegt?“
    „Nicht jetzt.“ Florian schüttelte den Kopf. „Vielen Dank. Wenn mir was einfällt, melde ich mich.“ Er stand auf. „Es sollte ja nur ein Beispiel sein,

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