Florian der Geisterseher
nein“, antwortete August. „Wir machen nur so unsere Späße.“ Er lachte und kniff Agathe in die Taille.
„Nicht, Herr August!“ rief sie und lief hinaus. August lachte schallend.
„Ruhe da draußen!“ Tante Theklas Stimme traf ihn wie ein Schlag mit dem Holzhammer.
Florian hatte inzwischen kombiniert. Er öffnete das Wandschränkchen und schaute hinein.
„Hopple, hoppla!“ August trat neben ihn. „Damit versteh ich keinen Spaß.“
„Aha!“ Florian wich der Schnapsfahne aus. „Aber wir sollen Ihre Späße verstehen, Agathe und ich. Sie sind ja so irrsinnig witzig. Hahaha!“
August blieb die Sprache weg. Er rollte mit den Augen, drückte die Tür des Wandschränkchens zu und verschwand schnaubend die Treppe hinauf.
Verdammter Mist! schimpfte Florian tonlos und versetzte sich in der Zeit zurück, wie Tante Thekla. Wenn auch nur um zehn Minuten. Jeden Schritt ging er im Geist noch einmal. Hinaus aus dem Haus. In Wirklichkeit schlugen seine Beine die Gegenrichtung ein. Er ging zur Küche.
Agathe kam herein. „Was war denn los?“ fragte sie.
Florian erzählte ihr, wie einmalig die Sache mit dem ganz großen Geheimnis verlaufen war und wie unglücklich sie geendet hatte.
„Dann fragst du sie halt noch mal“, meinte Agathe.
Da konnte Florian wieder lachen. „Klar. Was denn sonst? Ich Idiot!“
„Wenn einem der Schreck in den Gliedern sitzt, fällt einem nichts ein“, tröstete sie ihn.
„Du bist prima, Agathe. Was du sagst, hat immer Hand und Fuß.“ Und er half ihr, das Tablett abzuräumen. „Mich hat vor allem dieser August geärgert. Der hat den Zettel nämlich! Und wie er dich dann noch gezwickt hat...!“
„Das macht er immer, wenn ich ein Tablett trage und ihm keine schmieren kann.“
„Ist das wahr?“ Florian kam der gerade vergessene Arger wieder hoch. „Ich sage dir, der hat auch Onkel Charlie zum Trinken verführt. Dieses Saufloch!“ Mit dem Kraftausdruck faßte er einen Entschluß: Der Kerl muß einen Denkzettel kriegen!
Agathe hatte Wasser aufgesetzt und spülte das Geschirr ab. „Was magst du denn zum Essen? Deine Tante ist heute mittag nicht da.“
Florian erfuhr, daß sie von einer Kundin eingeladen sei und erst am Nachmittag wiederkäme.
Die Mutter vom kleinen Ralph! kombinierte er, hielt sich aber an sein Versprechen und sagte nichts. Er hatte eben ein Geheimnis mit Tante Thekla und eines mit Agathe. Großen Hunger verspürte er bei der Hitze nicht und Agathe auch nicht. Die beiden beschlossen daher, sich nur je einen Pfannkuchen zu machen und dann schnell wieder an den Waldweiher zum Schwimmen zu gehen.
Florian trocknete das letzte Frühstücksgeschirr ab und half Agathe beim Tischdecken fürs Mittagessen. Er trug das schwere Tablett mit dem Silber und den Tellern. Agathe deckte.
„Jetzt weiß ich, warum du so schnell schwimmst!“ sagte er am dritten Tisch. „Tablett tragen ist ein tolles Training.“
Sie lachte. „Dann hab ich nichts dagegen, wenn du jeden Tag trainierst.“
Die wenigen Gäste, die um diese Zeit unter den Pilzschirmen saßen, machten die üblichen dummen Bemerkungen. „Aha! Der junge Mann hilft sogar.“
„Bei nützlicher Arbeit sieht man junge Leute gern!“ und so weiter.
Den dümmsten Satz sagte eine der beiden Damen mit den Spazierstöcken: „Was ein Kavalier werden will, übt sich beizeiten.“
Da kam August und holte sie zum Termin bei Madame, zum letzten des Vormittags, wie er betonte. Mit Agathe und Florian sprach er nicht. Er schaute an ihnen vorbei, als wären sie gar nicht da, und verzog sich schleunigst wieder.
Agathe widmete sich dem Kochen. Florian holte Schnittlauch aus dem Garten und verwechselte diesmal nicht Petersilie mit dem Grünzeug von gelben Rüben. Im Stall hinter den Bohnenstangen hörte er August mit den Haflingern schimpfen.
Das ist der richtige Moment! sagte er sich. Da hat er noch eine Weile zu tun.
Florian ging hinauf in sein Zimmer. Auf der Steiltreppe fiel bei ihm der Groschen: Genau! sagte er zu sich, tonlos wie ein Kontrollgeist. Er holte den Rucksack aus dem Schrank und mußte lachen bei dem Gedanken, für welchen Zweck er ihn zu Hause gepackt hatte: Detektiv bei einer Hellseherin! Das war schon eine Schnapsidee von Onkel Bruno.
Er steckte seinen Fotoapparat in die Tasche, nahm den leeren Rucksack auf den Rücken und ging die Treppe hinunter. Als er in die Diele kam, trat gerade Tante Thekla, gefolgt von einem Herrn, aus dem Zimmer. Florian erschrak, die Tante blieb stehen, ihre
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