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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Klassenarbeit in Mathematik? Wie lautet die Aufgabe? Wie ist die Lösung?“
    Florian hielt den Atem an. Merkte sie was?
    Die Tante bewegte den Kopf leicht hin und her. Dazu murmelte sie undeutlich vor sich hin. „Dein Lehrer ist nicht gesund!“ sagte sie plötzlich. „Aber er weiß es noch nicht. Er schreibt an die Tafel...“ Wieder murmelte sie zuerst undeutlich, dann immer klarer, wie die Antwort lauten würde. Florian schrieb mit. Die erste Hürde war genommen. „Und jetzt die Lösung“, fuhr sie fort. Das Murmeln wiederholte sich abermals. Als sie zum Klartext überging, sprach sie so schnell, daß Florian mit dem Schreiben kaum nachkam.
    Halt! Tante, nicht so schnell! hätte er am liebsten gerufen, traute sich aber nicht. Wie ein Luchs mußte er aufpassen, während der Bleistift über das Papier flog.
    „Null kommt heraus!“ rief die Tante endlich und atmete auf, als habe sie das alles soeben ausgerechnet.
    Um sich ja nicht in die Karten gucken zu lassen, schickte Florian noch eine unverfängliche Frage hinterher. „Wie geht es Tante Lene? Wird sie gesund? Muß ich im nächsten Jahr wieder zu ihr oder darf ich zu dir kommen?“
    „Sie ist nicht krank, nur erschöpft“, kam prompt die Antwort. „Und du darfst von jetzt an in den Ferien immer zu mir. Obwohl es zunächst nicht so aussieht!“
    Nach dieser Eröffnung war auch Florian vollkommen erschöpft. Mit zitternden Händen riß er den Zettel vom Block, faltete ihn zusammen und steckte ihn in die hintere Hosentasche.
    „Noch etwas?“ fragte die Tante.
    „Nein, danke! Das war alles.“
    Es dauerte etwas, bis sie mit einem Seufzer die Hände herunternahm. Die grünen Augen sahen ihn wieder an: „Na, bist du zufrieden?“
    „Vollkommen, Tante. Vielen Dank. Du warst große Klasse.“ Er brachte ein mattes Lächeln zustande.
    „Das freut mich“, sagte sie. „Ich will dich doch nicht enttäuschen, wo du mich immer so schön verteidigst.“
    Florian stand auf. Am liebsten hätte er sich verkrochen, so gemein kam er sich vor. Aber schließlich geht man ja zur Hellseherin, um mit seinen Problemen fertig zu werden. Und Mathe war sein Problem, weiß Gott.
    Mit einem vergewissernden Griff nach der hinteren Tasche lief er aus dem Zimmer, aus dem Haus, durch die sengende Sonne hinüber zum Wald.
    Mensch, war das aufregend!
    Seine Kombination hatte gestimmt. Jetzt konnten die Eltern kommen. Und der Tag der Klassenarbeit. Florian hatte die Ruhe weg. Er wußte ja, wie’s ausgeht.
    Mit nachlassender Spannung wurde ihm klar, was Tante Thekla alles gesagt hatte. Wie sie sich durch Raum und Zeit bewegen konnte. In Gedankenschnelle nach Buenos Aires, ohne Körper. Wenn das alle könnten, wären die Straßen und Strände nicht so mit Touristen verstopft; hätten seine Eltern keinen Ärger mit Hotel und Auto.
    Aber ohne Kontrollgeist ging das nicht. Warum, konnte er sich erklären: Der Kontrollgeist war so etwas wie ein Satellit, den der eigene Geist anpeilt und dadurch alle Punkte der Erde erreichen kann.
    „Du führst ja ein schlaues Leben!“ sagte eine Stimme.
    Florian fuhr hoch. Die beiden alten Damen mit den Spazierstöcken kamen aus dem Wald.
    „Ich habe gerade einen Waldlauf hinter mir“, log er. Darauf nickten sie zufrieden und gingen weiter.
    So was Dummes! schimpfte Florian tonlos. So, wie Tante Thekla mit Onkel Charlie sprach. Wenn man als junger Mensch mal im Moos liegt, führt man gleich ein schlaues Leben! Immer muß man eine Leistung vorweisen! Aber wenn abends was Spannendes im Fernsehen kommt, muß man ins Bett. Wenn die Erwachsenen selber faulenzen, wollen sie keine Jungen dabeihaben!
    Er war aufgestanden und faßte zur Sicherheit noch einmal in die hintere Hosentasche, in die er das Wichtigste, den Zettel mit der Klassenarbeit, gesteckt hatte. Der Zettel war weg. Zuerst stand Florian wie vom Blitz getroffen da. Dann sah er sich um, ging denselben Weg zurück, bis vor Tante Theklas Tür. Hier hatte er ihn noch gehabt. Das wußte er.
    „Suchst du was Bestimmtes?“ August war von draußen hereingekommen.
    „Ich hab den Zettel verloren!“ antwortete Florian abwesend.
    „Welchen Zettel?“
    „Meinen Zettel!“
    „Ach, den!“
    Augusts Gerede ärgerte Florian. „Haben Sie ihn?“
    Jetzt grinste er auch noch. „Was krieg ich, wenn ich ihn habe?“
    „Wollen Sie Finderlohn?“ Verständnislos starrte Florian ihn an.
    Von der Küche kam Agathe mit vollem Tablett: „Ist was?“ fragte sie, weil er immer noch am Boden herumsuchte.
    „Nein,

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