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Flossen weg

Flossen weg

Titel: Flossen weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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über den Schreibtisch des Kommandanten der Küstenwache beugte und den hoch gewachsenen, athletischen Offizier fast mit dem Kopf rammte. »Brechen Sie die Suche jetzt ab, und ich sorge dafür, dass man Ihren Namen bis ans Ende aller Zeiten gemeinsam mit Adolf Eichmann und Vlad, dem Pfähler, nennt. Nathan Quinn ist eine Legende auf seinem Gebiet, und jedes Mal, wenn eine Dokumentation über Wale im Discovery Channel, bei National Geographic, Animal Planet oder PBS oder meinetwegen auch im Kinderkanal läuft, sorge ich dafür, dass Ihr Name in einem Atemzug mit Nate genannt wird, als der Mann, der ihn da draußen im Stich gelassen hat. Sie werden für die nächsten hundert Jahre der offizielle Sündenbock der Küstenwache sein. Das hier wird das My Lai der Coast Guard. Jedes Mal, wenn ein Kind ertrinkt, wird man Ihren Namen nennen, jedes Mal, wenn sich jemand auch nur nasse Füße holt, wird man den Namen von Kommodore Was-weiß-ich-wie-Sie-heißen hervorkramen und Ihr Bildnis auf den Straßen verbrennen, Ihren Kopf auf einen Pfahl spießen, mit Lippenstift beschmieren und für alle Zeiten auf den Schulhöfen dieser Welt mit Füßen treten. Und alles nur, weil Sie zu gottverdammt lahmarschig sind, um ein paar Hubschrauber loszuschicken, die meinen Freund suchen. Wollen Sie das?«
    Clay hatte konkrete Vorstellungen, wenn es um Loyalität ging.
    Der Kommodore war schon fast sein ganzes Leben bei der Küstenwache, hatte seine Zeit und Energie dafür eingesetzt, entweder Leute zu retten oder andere dafür auszubilden, und daher fühlte er sich von Clays Tirade mächtig vor den Kopf gestoßen. Er blickte durch sein Büro zu Kona und Amy hinüber, die bei der Tür standen und fast so mitgenommen aussahen, wie er sich fühlte. Der Surfer starrte ihn an und schüttelte traurig den Kopf.
    »Es ist drei Tage her, Mr. Demodocus. Auf dem offenen Meer und ohne Schwimmweste? Sie sind doch kein Tourist. Sie wissen, wie die Chancen stehen. Falls er noch leben sollte, wäre er inzwischen zu weit abgetrieben. Wir haben auf Maui nicht weniger als zehn Rettungseinsätze täglich. Ich kann unsere Hubschrauber nicht raus aufs Meer schicken, wenn keine Chance mehr besteht.«
    »Was ist mit den Gezeitenkarten, den Strömungen?«, bettelte Clay. »Können wir nicht berechnen, in welche Richtung er abgetrieben sein könnte? Es würde die Suche eingrenzen.«
    Der Kommodore musste sich von Clay abwenden, um ihm antworten zu können. Als der Surferbengel mit den halben Dreadlocks in sein Büro gekommen war, hatte er gesagt: »In deiner Haut möchte ich nicht stecken, Mann.« Und im Augenblick konnte ihm der Kommodore nur Recht geben. Er hatte Freunde auf See verloren. Er verstand diese Leute. »Tut mir Leid«, sagte er.
    Clay seufzte schwer und ließ die Schultern hängen. Amy trat vor und nahm ihn beim Arm. »Gehen wir nach Hause, Clay.«
    Clay nickte und ließ sich aus dem Büro des Kommodore führen.
    Auf dem Weg über den Parkplatz zu Clays Wagen sagte Kona: »Das war erstaunlich, Clay.«
    »Der Wutanfall? Ja, ich bin echt stolz darauf, besonders da es so gut funktioniert hat.«
    »Wieso hast du ihm nichts davon gesagt, dass der Wal Nate gefressen hat?« In den drei Tagen, seit Nate verschwunden war, hatte Kona fast völlig vergessen, sein Kauderwelsch aus Mumpitz und Rasta-Slang zu sprechen, und jetzt hörte er sich an wie ein Junge aus New Jersey mit »Hey, Alter«-Surfer-Akzent.
    »Wale fressen keine Menschen, Kona«, erwiderte Clay. »Das weißt du doch.«
    »Ich weiß, was ich gesehen habe«, sagte Amy.
    Clay blieb stehen und trat von den beiden zurück. »Hör mal, wenn das hier was bringen soll, müssen wir pragmatisch vorgehen. Ich glaube wohl, dass du gesehen hast, was du da sagst, aber es hilft uns nicht weiter. Erstens ist der Rachen eines Buckelwals nur dreißig Zentimeter groß. Er könnte einen Menschen gar nicht verschlingen, selbst wenn er wollte. Sollte der Wal also tatsächlich nach Nate geschnappt haben, stehen die Chancen gut, dass er ihn bald wieder ausgespuckt hat. Zweitens: Hätte ich diese Geschichte herumerzählt, würden dich alle für hysterisch halten oder – falls sie dir glauben – annehmen, dass Nate ertrunken ist. Und dann hätten sie gar nicht erst nach ihm gesucht. Ich glaube dir, Kleine, aber die anderen bestimmt nicht.«
    »Und was jetzt?«, fragte Kona.
    Clay sah die beiden an, die wie mutterlose Welpen vor ihm standen, und schob seine eigene Trauer beiseite. »Wir führen Nates Arbeit zu Ende. Wir

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