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Flowertown - Die Sperrzone

Flowertown - Die Sperrzone

Titel: Flowertown - Die Sperrzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.G. Redling
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Spiegelbild. In jeder Scherbe sah sie Bing, und als er sie noch einmal gegen den Spiegel donnerte, war der Aufprall so hart, dass das Glas zu Boden fiel. In diesem Moment tauchte wieder, wie schon so oft, ein vertrautes Bild vor ihren Augen auf.
    »Vogel.«
    Bing donnerte ihren Kopf noch einmal gegen das, was von dem Spiegel übrig geblieben war, und als Ellie sah, wie ihr Blut die Wand hinunterlief, begannen ihre Beine zu zittern.
    »Vogel«, sagte sie wieder.
    »Was sagst du?« Bing zerrte ihren Kopf nach hinten.
    »Vogel. Du siehst aus wie ein Vogel.« Das Licht der Lampe über seinem Kopf verschwamm, als ihr das Blut über die Augen lief.
    »Ich kenne dich.« Bing ließ von ihr ab. Sie schwankte und nuschelte. Sie zwang sich, nicht an das Blut zu denken und versuchte, ihre schwerfälligen und tauben Gedanken zu verfolgen. »Du sahst aus wie ein Vogel. Dr. Tabor kannte ich nicht. Aber ich kannte dich.«
    Sie versuchte, ihren Blick auf Bing gerichtet zu lassen, wie er da an seinem Schreibtisch saß und ihr zusah, wie sie schwankte. »Ohne meinen Bart sehe ich anders aus, nicht wahr?«
    Es dauerte einen Moment, bis sie die Worte verstanden hatte. Sie musste erst überlegen, was ein Bart war. Aber langsam setzte ihr Erinnerungsvermögen die Puzzleteile zusammen. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihren besten Freund mit einemdichten, dunklen Bart. Und dann verwandelte er sich in das verhasste Schattengesicht ihrer Albträume, das Gesicht, das stets über dem Nebel aus Drogen und Medikamenten gewabert hatte, damals, in den langen Nächten in Ost Fünf, in den ersten Jahren in Flowertown.
    »Du warst mein Arzt.« Die Worte lösten sich von ihren Lippen wie Rauch.
    »Ach nein.«
    Ihr Atem brannte heiß.
    »Du Stück Scheiße.«
    Er verdrehte die Augen. »Welch elegante letzte Worte. Du bist wirklich nicht mehr wert als Müll. Ich brauchte gerade einmal drei Sitzungen, um herauszufinden, dass du dich perfekt zum Ereigniskatalysator eignest.«
    »Warum ich?«
    »Mach dir nichts vor, Ellie. Es hatte nichts mit dir persönlich zu tun. So wichtig bist du nicht.«
    Er ging wieder zum Computer.
    »Du bist einfach zweckdienlich. Du warst praktisch, aber für den Fall, dass es mit dir nicht geklappt hätte, hatte ich noch ein halbes Dutzend Alternativen zur Auswahl. Big Martha hätte eine perfekte Selbstmordattentäterin abgegeben, aber allein die Menge an Medikamenten, die ich in die pumpen musste, um überhaupt Zugang zu ihr zu bekommen, war nicht kosteneffizient. Großer Körper, große Dosis. Du warst die billigere Wahl.« Er blickte zu ihr herüber, und musterte sie von Kopf bis Fuß. »In jeder Hinsicht.«
    Ellie spuckte Blut auf den Boden. »Guy wird dich aufhalten.«
    Er beugte sich über seine Tastatur. »Guy ist ein einfacher Soldat, der planlos herumlaufen wird, bis er in die Luft fliegt. Seine Psychowerte machen aus ihm einen wunderbaren Kandidaten für einen unserer Helden. Mutig, attraktiv, loyal unddumm genug, die beschissene Tussi zu ficken, die vorhat, das ganze Lager hochgehen zu lassen. Wunderbar.«
    Sie wollte sich bewegen. Sie wollte einen Stuhl nehmen und ihn Bing in den Rücken schleudern. Aber ihr Körper widersetzte sich ihren Wünschen. »Ist das die Ironie, die du willst?« Bing drehte sich zu ihr um und zog seine Augenbrauen hoch. »Hast du dich endlich dazu entschlossen, aufzupassen? Wie kamst du denn auf den Ironie-Faktor? Das ist ein ganz entscheidender Punkt, will man die Tragödie eines Medienspektakels perfekt machen. Die Menschen lechzen danach. Aber nein, das war nicht die Ironie, an die ich dachte. Das war nur ein Bonus. So wie dein unglaublich formbarer Verstand.«
    Er blickte wieder auf den Bildschirm, tippte etwas und fluchte, als der Rechner einen piepsenden Laut von sich gab. »Und glaube bloß nicht, dass ich es nicht besonders ironisch und schätzenswert finde, dass meine brillante Flucht von eben dem Computer aufgehalten wird, der meine Spuren verwischen soll.«
    Ellie kam einen Schritt näher, um ihm über die Schulter blicken zu können.
    »Weißt du, was eine kluge Bombe ist, Ellie?« Er kümmerte sich nicht darum, ob sie antworten würde. »Ich habe in meiner Krankenakte einen Virus versteckt, na ja, in Ian Billingslys Akte. Nur eine Handvoll Leute kennen meinen Decknamen. Nachdem, was mit Tabor passiert ist, wollte ich lieber kein Risiko eingehen. Für den Fall, dass mir irgendetwas zustoßen sollte, oder irgendjemand meine Akte löschen oder mich als ›verstorben‹ markieren

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