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Flowertown - Die Sperrzone

Flowertown - Die Sperrzone

Titel: Flowertown - Die Sperrzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.G. Redling
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zu verbergen.
    »Ich dachte, Sie würden hier drin nicht mehr rauchen. Ich dachte, Sie hätten ein Friedensangebot gemacht.«
    »Entspannen Sie sich, Cooper.« Ellie blies im Vorbeigehen eine neue dicke Rauchwolke aus und verstellte ihm die Sicht auf die Tüte an ihrer Seite. »Ich gehe mit der Kippe nach draußen. Sollte mich jemand anrufen, schreiben Sie mir einen Vermerk.«
    Der Wachmann hustete und wedelte den widerlichen Rauch weg, ohne weiter auf Ellie zu achten. Sie schlenkerte die Tüte an ihrem Armgelenk und drehte dabei die Akten gegen ihre Beine – jetzt zeigte die Crackerschachtel nach außen – und ging rasch zur Treppe.
    »Wohin zum Teufel gehst du?« Big Martha lehnte sich auf ihre schweren Vorderarme und beugte sich über ihren Schreibtisch.
    »Check-up.« Ellie blieb wie angewurzelt stehen und überlegte, wie sie sich am besten umdrehen könne, ohne dass Big Martha die Tüte entdeckte.
    »Quatsch. Du hattest gestern einen.«
    Ellie nutzte ihren Ärger als Tarnung. »Tja, ich habe heute wieder einen. Was soll ich deiner Meinung nach machen? Ein Attest bringen?«
    Sie hörte kaum ihre eigenen Worte, so laut rauschte das Blut in ihren Ohren, während sie beobachtete, wie Big Marthas Blick zu der Tüte wanderte, die sie halb hinter ihrem Bein versteckt hielt. Ihre Chefin schaute schnell wieder nach oben und verschloss ihren Mund zu einer geraden Linie. Stunden schienen zu vergehen, bis sie anfing zu sprechen.
    »Es ist mir absolut neu, dass du diese Salzcracker isst.«
    Ellie konnte nichts anderes tun, als ein paar Mal zu blinzeln, während sie versuchte, sich vorzustellen, was genau ihre Chefin sehen konnte. Niemand aß die Salzcracker freiwillig. Sie waren der letzte Ausweg, wenn sonst gar nichts im Magen bleiben wollte, und Ellie spürte den Stachel ihres schlechten Gewissens, weil sie ihre Chefin in die Irre führte.
    In Flowertown wurden Leute krank, das war eine alltägliche Tatsache, ebenso wie die Tatsache, dass manche sich nicht mehr erholten. In dieser neuen, bizarren Welt der Lagerverwahrung nach einer Chemiekatastrophe verlangte die Etikette, dass man niemals, wirklich niemals fragte: »Wie geht es dir?«, wenn die Unterhaltung um gesundheitliche Themen kreiste. Wenn Ellie zwei Check-ups in einer Woche hatte und eine Schachtel Salzgebäck mit sich herumtrug, dann ging das nur sie etwas an. Wenn sie darüber reden wollte, dann würde Big Martha zuhören müssen, aber bis dahin galt das Thema als tabu.
    »Lass es nicht wieder eine Tagesaktion werden.« Big Martha wandte sich wieder ihrem Computer zu. »Diese Aktenstapel wachsen in die Höhe.«
    Ellie nickte und versuchte vor lauter Erleichterung nicht laut auszuatmen. Sie war ja krank, sagte sie sich, also hatte sie ihre Chefin theoretisch nicht getäuscht. Mehr Beruhigung war nicht drin. Ellie nahm zwei Stufen auf einmal.
    Sie traute sich nicht auszuatmen, bis sie die zweite Ecke auf dem Weg zum Gesundheitszentrum hinter sich hatte. Sie hatte es mit den Akten aus dem Gebäude geschafft. Sie versuchte, ihr rasendes Herz zu beruhigen und ging über die Straße zum Zeitungskiosk. Ellie hatte keine Ahnung, was für Akten sie in ihrer Tüte hatte. Deshalb wollte sie nicht mit ihnen durch das Gesundheitszentrum schlendern, wo sie vielleicht jemand erkennen könnte. Eine Zeitung würde genaudie richtige Größe haben, um die sperrigen Mappen darin einzuwickeln.
    Ellie überflog die fast leeren Zeitungsständer. Im Angebot war ein kleiner Stapel mit der »New York Times« von vor einer Woche, einem drei Tage alten »Sioux City Journal« und ein paar wenigen, zwei Tage alten Exemplaren von »USA Today«. Flowertown bekam die Nachrichten nie am selben Tag, an dem sie passierten. Deshalb sprachen die Leute im Lager oft von der »USA Yesterday«, aber meist kam die überregionale Zeitung nur um einen Tag verspätet. Allerdings war das heute nicht der Fall, und von Mr MacDonalds Miene her zu urteilen, war der Inhaber des Kiosks gar nicht erfreut darüber. Nun, sie war nicht zum Lesen gekommen. Ellie griff nach der Lokalzeitung.
    »Was zum Teufel hast du vor?« MacDonalds Stimme donnerte aus seinem kleinen Kabuff heraus.
    »Häh, was? Eine Zeitung kaufen?«
    »Das ist keine Zeitung!« Der alte Mann schlug mit seiner sehnigen Hand auf den Verkaufstresen. »Zeitungen bringen Nachrichten. Deswegen heißen sie auf Englisch »newspapers«. News wie in new, neu. Nicht einen Tag alt, nicht zwei Tage alt. Das sind keine Nachrichten. Das ist Geschichte. Warum

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