Flowertown - Die Sperrzone
wackelte, bevor er in die falsche Richtung rutschte: hinunter von der Kiste, auf den Boden und unter dem Schreibtisch hervor. Sie wagte nicht zu atmen, als sie über ihr Posteingangsfach zu Cooper hinüberschielte, der den Krawall ignorierte. Ellie sagte sich, dass sie denjenigen umbringen würde, der ihr die SMS geschickt hatte: »Erinnerung Gesundheitszentrum. Blutuntersuchung 11 Uhr.«
Ein Stoß Flüche kam ihr von den Lippen, als sie sich in ihrem Stuhl aufrecht hinsetzte, was Cooper wiederum dazu veranlasste, kurz zu ihr herüberzublicken. Er sah sofort wieder weg, als er ihren düsteren Gesichtsausdruck bemerkte. Eskonnte keinen ungünstigeren Zeitpunkt geben, um zum Gesundheitszentrum gehen zu müssen. Es bedeutete, die Kiste offen herumstehen zu lassen. Sie würde das Band nicht abmachen können. Sie hatte nichts, womit sie die Kiste bedecken konnte. Wenn Cooper oder Big Martha oder selbst Bing aus irgendeinem Grund wieder in ihre kleine Ecke gehen sollten, müsste sie sich ein paar verdammt harte Fragen gefallen lassen. Aber wenn sie einen Arzttermin versäumte, dann würden die Wachen, die sie holen kämen, keine Frischlinge wie Cooper sein, und erst recht keine charmanten harten Kerle wie Guy, das wusste sie. Eine der unvergesslichen Lektionen aus den ersten Tagen der Quarantäne war, dass Feno seine unnachgiebigsten, gefühlskältesten und ruppigsten Einsatzkräfte für das Kommando Medizinische Sicherheit abstellte. Wer sich einmal einem Check-up verweigert hatte, beging denselben Fehler nicht noch einmal, und niemand diskutierte mit ihnen. Feno und Barlay Pharma behaupteten, dass alles nur zugunsten der Gesundheit der Einwohner erfolgte, aber niemand in Flowertown würde die Brutalität vergessen, die die Gesundheits-Einsatztruppe in der ersten Zeit an den Tag gelegt hatte. Und niemand forderte sie jetzt heraus.
Wenn man sie verhaftete, weil sie Kisten geklaut hatte, dann würde sie wenigstens wissen, was in diesen Akten stand. Sie scherte sich nicht darum, ob ihr Wachmann zusah, griff in die Kiste und nahm drei Akten aus der Mitte. Ein kurzer Blick sagte ihr, dass die Akten mit eben denselben, nicht entzifferbaren alphanumerischen Codes wie an der Außenseite beschriftet waren, und sie sagte sich, dass jede Akte so gut wie die andere war. Aber sie wusste, dass sie nicht einfach mit den Akten unter dem Arm hinausspazieren konnte. Selbst Akten, die Feno nicht gehörten, wurden kontrolliert. Wäre es Winter, dann hätte sie die Akten unter die vielen Pulloverschichten, die sie in dem stetsklirrend kalten Büro trug, schieben können, aber heute trug sie nur ein T-Shirt der Rockband Cheap Trick, das so dünn war, dass es nicht einmal eine Packung Zigaretten verdeckt hätte.
Dann fiel ihr Blick auf die Einkaufstüte, die Bing neben ihren Schreibtisch gelegt hatte. Gott segne dich, Annabeth Dingle, dafür, dass du Rachel diese Salzcracker spendiert hast, dachte sie. Drei Mappen passten nicht in die Schachtel, egal wie eng sie sie zusammenrollte, aber wenn sie die Akten zwischen die Crackerschachtel und ihren Körper quetschte, dann müsste sie aus dem Gebäude schlendern können, ohne ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das jedenfalls schien ihre einzige Wahl.
Sie klemmte die Tüte zwischen ihre Füße und legte die Akten vorsichtig hinein, darauf achtend, dass sie die billige Tüte nicht zerriss. Neben den Akten und dem Salzgebäck blieb kein Platz mehr für die übrigen drei Dosen Chili, weshalb Ellie sie in ihre große Hängeregistratur packte. Sie hoffte, dass Bing sie nicht klauen würde. Es konnte gut sein, dass sie das letzte Mahl einer verurteilten Frau sein würden. Als sie aufstand und die Tüte seitlich hielt, bemerkte sie, wie schlecht das Versteck war, das sie gewählt hatte. Die Mappen waren länger und breiter als die Schachtel Salzcracker, und die Tüte riss schon jetzt an den Nähten. Aber Cooper hatte gesehen, dass sie aufgestanden war, und sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Sie musste eben einfach an dem Wachmann vorbeikommen, danach würde sie es schon aus der Tür heraus schaffen. Die Zeit für einen neuen Angriff war gekommen.
Als sie aus der Ecke ihres Schreibtischs herausging, nahm sie ihre Zigaretten, wechselte die Tüte auf ihre rechte Seite, sodass die Salzcracker an ihren Beinen lagen, zündete sich eineZigarette an und zog während des Laufens heftig daran. Cooper roch sie, noch bevor er sich zu ihr umdrehte und er machte keine Anstalten, seine Empörung
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