Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
Vom Netzwerk:
Also schwöre!« Caleb schwieg kurz. »Und zwar auf der Stelle!«
    Eli saß da und regte sich nicht. Henrietta hörte, wie Caleb einen Pfeil aus seinem Köcher zog.
    »Bitte nicht!«, platzte sie heraus. »Bitte bring ihn nicht um!«
    »Sei still, Henrietta«, sagte Caleb. »Du musst schweigen, wenn du nichts verstehst.«
    Henrietta biss sich auf die Lippen.
    Donner rumorte langsam über den Himmel. Der Regen hatte sich nun entschieden. Er prasselte heftig herab, stach wie mit Nadeln; er war warm, aber kühler als die Luft.
    »Nun, Eli?«, fragte Caleb.

    »Ich schwöre es«, sagte Eli leise. Bei dem Regen konnte Henrietta ihn kaum hören. »Vor Gott und diesen Gewährsleuten und der gesamten Welt als Zeuge, schwöre ich, Hylfing zu dienen und mich für sein Wohlergehen, seine Unversehrtheit und seinen Frieden einzusetzen.« Ohne Henrietta eines Blickes zu würdigen, blinzelte er zu Caleb hinauf. »Reicht das?«, fragte er bissig. »Oder soll es sonst noch etwas sein?«
    »Das reicht«, sagte Caleb. »Und was erwartet dich, wenn du diesen Eid brichst?«
    »Ein Pfeil, nehme ich an.«
    »Etwas Scharfes jedenfalls«, bestätigte Caleb. »Also …« Er wandte sich den anderen zu, aber Eli fiel ihm ins Wort.
    »Du weißt natürlich«, begann er mit seinen nass herabhängenden Haaren, »dass ich mich noch daran erinnere, wie du gegreint hast, um gestillt zu werden. Als kleines Kind mit schmutzigen Windeln.«
    Caleb lachte. »Und ich kann mich bei dir an nichts erinnern. An absolut gar nichts. Aber das lässt sich ja ändern.«
    Die Männer rings umher lächelten, aber nur kurz.
    Caleb zog ein Tuch aus seinem Umhang. »Verbindet den Pferden die Augen. Wir sind nur noch etwa eine Meile vom alten Tor entfernt. Der Sog des Todes wird stärker werden, je näher wir kommen. Wir werden nicht mehr anhalten können. Was auch immer geschehen mag – wir werden diesem Tor entgegenreiten und es durchqueren. Ihr dürft nicht vom Pferd fallen! Auf dem Boden ist der Sog am stärksten. Befinden wir uns erst im Inneren, wird es bei einem Sturz für Reiter und Pferd keine Rettung mehr geben. Atmet nicht, bevor ihr nicht wieder im Licht seid. Folgt mir, so dicht ihr könnt
und mit gezückten Waffen. Wir wissen nicht, was vor uns liegt, im Inneren sowie jenseits des unheilvollen Tors.«
    Die Männer zogen Tücher, Lappen und Binden heraus und banden sie den nervös scheuenden Pferden um die Köpfe. Nachdem sich die Pferde beruhigt hatten, zogen die Männer ihre Schwerter und legten Pfeile an die Sehnen ihrer Bogen. Caleb ließ seinen Fuchs antraben und leitete ihn durch das Gehölz.
    Die anderen folgten ihm in einer Reihe.
     
    Henrietta hatte einen Knoten im Bauch. Ihr Körper schmerzte jetzt nicht mehr – oder vielleicht doch, und sie bekam es nur nicht mehr mit. Im Verlauf dieses wilden Abenteuers hatten sich ihre Nerven an andere Maßstäbe gewöhnt. Sie ritten etwas Unbekanntem entgegen – etwas, das den Tod bedeuten konnte. Drei in Decken gehüllte Leichen führten sie bereits mit sich.
    Selbst Caleb, der hinter ihr saß, schien jetzt angespannt, und die Pferde wieherten leise. Der schwarze Hund hielt seine Nase in den Wind und hatte die Ohren aufgestellt.
    Das Gras um sie herum war mehr als verschrumpelt. Je weiter sie ritten, wandelte es sich von braun zu grau und löste sich im Regen schließlich vollständig auf.
    Henrietta klebten die nassen Haare am Kopf, aber sie machte sich nicht mal die Mühe, sich das Wasser aus dem Gesicht zu wischen. Stattdessen saugte sie es mit der Unterlippe auf. Es war das erste Mal an diesem Tag, dass sie etwas trinken konnte.
    Sie brauchte Caleb gar nicht zu fragen, wohin sie ritten. Sie
konnte es schon sehen: zu einem von kahlen Bäumen umgebenen Felsvorsprung. Eine graue Schneise aus Tod lief am Boden darauf zu. Und kurz dahinter konnte Henrietta auch das offene Tor sehen.
    Entfernt grollte Donner. Die Blitze sah Henrietta nicht. Ihre Augen hingen wie gebannt an einem stetig größer werdenden schwarzen Schlund, der ein bisschen zu symmetrisch war, um eine normale Höhle zu sein. Sie schluckte heftig, als der Boden vor ihnen nun eben wurde. Toter Boden. Grauer Boden. Jeder einzelne Grashalm war zu einem durchweichten, nach hinten geknickten geisterhaften Korkenzieher verdreht, der auf das Tor deutete.
    Caleb schnalzte mit der Zunge, und der Fuchs lief schneller. Jetzt erst fielen Henrietta die Vögel wieder ein und sie blinzelte durch den Regen in den Himmel.
    »Ich habe sie davonfliegen lassen«,

Weitere Kostenlose Bücher