Fluch der 100 Pforten
verfügte, die die Magie sämtlicher Zauberer übertraf. Henry meinte zu fühlen, wie er den Wind lenkte, auch wenn er es nicht sehen konnte. Er glaubte auch nicht, dass die Zauberer, die er sterben gesehen hatte, selbst in der Lage gewesen wären, Blitze herbeizurufen. Jemand musste ihnen diese Kraft verliehen haben.
Um die beiden Breschen in der Stadtmauer herum war aus herumliegenden Trümmern eine Mauer in der Form eines »U« errichtet worden. Wenn die Zauberer jetzt noch einmal angriffen, würden sie sich in einer von Steinen ummauerten Nische wiederfinden – über sich die Pfeile der Verteidiger, die auf den noch unzerstörten Mauern standen. Tödliche Kesselfallen.
Jetzt kamen Onkel Frank und der Polizist zu Zeke und Henry. Sie hatten ihre Gewehre bei sich. Der Polizist hinkte.
»Ein paar Patronen haben wir noch«, sagte Frank.
Der Polizist nickte. »Bis zum Frühstück sind sie weg.«
»Henry.« Frank legte dem Polizisten eine Hand auf die Schulter. »Das hier ist Sergeant Ken Simmons. Er ist bei uns geblieben, nachdem das Haus in Kansas an einer anderen Stelle stand. Er ist ein guter Mann am Gewehr.«
Sergeant Simmons hob den Arm, um Henry die Hand zu schütteln. Als er aber Henrys ramponierte Hände sah, klopfte er ihm nur auf den Rücken.
Caleb kam nun ebenfalls hinzu. Seine drei Köcher waren leer. Im Näherkommen sammelte er ein paar Pfeile auf. Bei jedem einzelnen strich er mit der Hand über den Schaft, besprach leise die Pfeilspitze und blies auf die Federn, bevor er ihn wegsteckte. Einige warf er auch wieder zu Boden.
»Die Ruhe ist trügerisch«, sagte er. »Geht nach Hause, ruht euch aus und esst, solange ihr könnt.«
»Und was wird aus dir?«, fragte Frank.
»Ich werde mich ein wenig jenseits der Mauern umsehen«, antwortete Caleb. »Eine ganz bestimmte Kraft steckt hinter all dem, und ich weiß nicht, warum unser Feind noch abwartet. Aber während er abwartet, finde ich vielleicht einen Weg, wie wir ihn schlagen können.«
»Es ist Darius«, erklärte Henry jetzt. »Er ist ein Siebtgeborener.«
Caleb hob die Augenbrauen. »Du kennst ihn?«
»Er ist derjenige, der mich durch die Fächerwand gezogen hat.« Henry schüttelte den Kopf, in der Annahme, dass Caleb ihn nicht verstehen würde. »Er hat mich entführt und wollte mich zu seinem Sohn machen.« Er hob sein Shirt und trotz der Dunkelheit waren seine bleichen, feuchten Narben erkennbar. »Ich konnte aber fliehen.«
Caleb ging vor ihm in die Knie und fuhr mit den Fingern über das Narbenmuster auf Henrys Bauch.
»Ein Baum?«, fragte er.
Caleb erhob sich wieder und machte plötzlich einen Satz in einen dunklen Hauseingang hinein. Blitzartig drehte er sich, bekam etwas auf der Höhe seiner Hüfte zu fassen und zerrte es aus dem Schatten heraus.
Von schimmernder Luft umgeben, Grimassen schneidend und vor Schmerz wild um sich tretend, weil Caleb ihn an der Nase gepackt hatte, kam Frank, der dicke Elf zum Vorschein.
»Wen haben wir denn da?«, fragte Caleb und beugte sich zu ihm herab.
»Frank Fett-Elf!«, stieß Henry lachend aus. »Er lebt. Kannst du ihn sehen?«
»Ich kann ihn riechen«, sagte Caleb. »Ein bisschen jedenfalls. Ich besitze zwar nicht alle Gaben, aber genug, um es mitzubekommen, wenn sich irgendwo ein Elf versteckt.«
Caleb ließ Franks Nase los und fasste ihn an den Ohren. »Hör gut zu, Frank Fett-Elf! In meiner Stadt laufen Elfen nicht ungesehen herum, nicht in Zeiten wie diesen und nicht unter dem derzeitigen Bezirks-Komitee. Ich traue den Faeren nicht. Mach dich sichtbar!«
Das Schimmern verflog. Onkel Frank und die Übrigen blinzelten. Caleb ließ die Ohren des Elfs los.
»Was hast du hier in Hylfing zu suchen, während gerade die Zauberer angreifen?«
»Tja, Sir«, begann der Elf. »Meine Aufgabe lautete, Ihren Neffen vor den Zauberern zu beschützen, Sir. Und vor korrupten Elfen zu retten, Sir. Und dann noch mal vor den Zauberern, Sir. Ich habe ihn zur Stadt seiner Väter gebracht, Sir, und ich habe noch auf manch andere Weise den äußersten Edelmut und die tiefe Ergebenheit der Elfen bewiesen.« Das Gesicht des Elfs war vor Zorn knallrot. Er sah zu Henry und deutete mit dem Kopf auf Onkel Frank.
»Ist das dein Onkel Frank?«, fragte er. »Den mag ich. Bedeutend mehr als andere, die ich hier nennen könnte, und denen
es Spaß macht, Leuten ins Gesicht zu fassen und Beschuldigungen auszustoßen. Außerdem liegt man bei einem Frank selten schief.«
Caleb lachte und die anderen lachten mit ihm.
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